Amnion 4: Chaos und Ordnung
des Ressorts Öffentlichkeitsarbeit gehörte, lebte Koina Hannish im emotionalen Spektrum auf der Lane Harbinger diametral entgegengesetzten Seite. Während Lane Spannung ausstrahlte, als schrie sie lautlos herum, ging von Koina Hannish eine Aura stiller Selbstsicherheit aus. Makellos gekleidet und gepflegt, wie sie auftrat, vermittelte sie den Eindruck, jedes Wort, das sie sprach, müßte infolge der schlichten Tatsache, daß es aus ihrem Mund kam, wahr sein, beinahe per Reflex. Hashi vermutete, daß die meisten Männer sie als schön bezeichnet hätten. Unter allen Umständen, die er sich vorzustellen imstande war, mußte sie seines Erachtens als RÖA-Direktorin weit besser sein, als der abstoßende, heuchlerische Godsen Frik je getaugt hatte. Sie wäre schon vor langem in die jetzige Position aufgestiegen, hätte Godsen Frik den Posten nicht dank Holt Fasners Protektion okkupiert gehabt.
»Das gefällt mir nicht, Direktor«, sagte sie unumwunden, sobald die Tür sich hinter ihr geschlossen und verriegelt hatte. »Ich habe das Gefühl, es ist nicht richtig.« Wohlwollend lächelte Hashi. »Sie sind jetzt selbst Direktorin, Koina, darum will ich Ihre Zeit nicht damit verschwenden, Ihnen für den Besuch zu danken. Ich weiß, daß Sie unglaublich beschäftigt sind. Was ist Ihrem Gefühl nach ›nicht richtig?‹«
Aufrecht setzte sie sich, bevor sie antwortete, in einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Sie in diesem Rahmen aufzusuchen. Mit Ihnen zu reden. Für Sie zu arbeiten.«
»Meine liebe Koina…« Affektiert schob Hashi sich die Brille den Nasenrücken hoch. Von Verschmiert- und Verkratztheit waren die Gläser beinahe undurchsichtig; aufgrund eingehender Studien wußte er, daß er damit aussah, als wäre er blind. Doch eigentlich brauchte er die Brille nicht; sein Augenlicht war so gut, daß er keine Sehhilfe brauchte. Er hatte sich längst angewöhnt, über sie hinwegzuschauen. »Wir arbeiten schon jahrelang Hand in Hand, und Sie haben noch nie Unbehagen über unser Zusammenwirken zum Ausdruck gebracht.«
»Ich weiß.« Über der Nasenwurzel verkniff ihr eine Andeutung von Mißmut die Stirn. »Ich habe in dieser Hinsicht auch noch nie so empfunden. Erst als ich Ihre Aufforderung zum Kommen erhielt. Natürlich habe ich mich nach dem Grund gefragt. Es liegt daran, glaube ich, daß bis heute Godsen Erik mein nomineller Chef gewesen ist. Unter uns gesagt, ich habe in ihm, um eines seiner Lieblingswörter zu gebrauchen, nie etwas anderes als ›Abschaum‹ gesehen. Mir galt er immer als eine Symbolgestalt für all das, was bei unserer Truppe nicht in Ordnung ist… Womit ich eigentlich Holt Fasner meine. Für Sie tätig zu sein, habe ich als… ja, als ehrbarer betrachtet, als für Godsen Frik zu arbeiten. Obwohl ich im RÖA festsaß, war’s mir möglich, bei der wahren VMKP-Arbeit zu helfen, ohne dabei durch ihn mehr als unumgänglich gestört zu werden. Mir kamen aber allmählich Zweifel, während ich mir die Aufzeichnung der Videokonferenz des Polizeipräsidenten mit dem EKRK angesehen habe… War das erst gestern? Die meisten Verlautbarungen sind von Ihnen abgegeben worden, Godsen Frik ist gar nicht vor der Kamera erschienen, aber jedesmal, wenn Sie den Mund aufmachten, glaubte ich seine Stimme zu hören.«
Ein Anklang des Zorns, den zu verheimlichen Koina keine Anstrengung unternahm, verlieh ihrem Tonfall eine gewisse Schroffheit. »Beim Anhören Ihrer Erläuterungen, wieso Sie Leutnantin Morn Hyland diesem Nick Succorso zum beliebigen Gebrauch ›überlassen‹ haben, war mir zumute, als erlebte ich das Ende all dessen, für was wir angeblich einstehen. Als der Polizeipräsident mir dann Friks Posten angeboten hat, hätte ich am liebsten abgelehnt. Aber das war« – sie fügte die Einschränkung rasch hinzu – »vor seinem Gespräch mit mir. Ich hatte noch nie eine persönliche Aussprache mit ihm gehabt. Bis dahin hatte ich nie gespürt, wie viel…« Sie suchte nach dem passenden Wort. »Wieviel Überzeugung er vermittelt. Und er hat mir die gründlichste Vollmacht erteilt, die ich je hatte. Korrekter als alles, womit ich je von Godsen Frik beauftragt worden bin, weitgehender als alles, was ich je für Sie tun durfte. Wenn man ihm Glauben schenken kann, will er, daß ich meine Arbeit richtig mache.«
Sie vollführte eine knappe Geste der Gereiztheit, als ob die Unzulänglichkeit ihrer Darstellung sie verdroß. »Besser kann ich’s leider nicht erklären. Hinter seinem Rücken bei Ihnen anzutanzen
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