Amnion 4: Chaos und Ordnung
Begleitung Einlaß ins wärmere Licht der Beckmannschen Domäne.
Durch die Schleuse gelangten sie in eine Kammer, die einem Lagerraum ähnelte; sie diente als Rezeption des Schwarzlabors. Sie war, ließe sich fast sagen, voll mit Leuten. Außer sechs Wächtern zählte Nick drei Frauen und zwei Männer in Laborkitteln – ein ganzes Empfangskomitee.
Die Wächter waren mit Impacter-Pistolen bewaffnet. Und alle hatten sie Bioprothesen der einen oder anderen Art: Scanner, Kommunikationsgeräte, verstärkte Gliedmaßen und vermutlich auch versteckte Waffen. Was diesen Aspekt betraf, hätten sie aus Kassafort stammen können. Aber die Tatsache, daß sie hier unter wesentlich anderen Verhältnissen lebten, als sie beim Kassierer geherrscht hatten, zeigte sich an ihren Augen, denen man keine durch chemische Abhängigkeiten bedingte Verschleiertheit ansah: keine der vielfältigen Symptome eines Dauergebrauchs von Kat, Nervensprit, Pseudoendorphinen oder sonstigen Stimulanzien. Wahrscheinlich hatten sie sich in den meisten Fällen freiwillig den bioprothetischen Abwandlungen unterzogen. In mancher Hinsicht waren sie gefährlicher als die Männer und Frauen, die im Dienst des Kassierers gestanden hatten.
Nick kannte keine der in Laborkittel gekleideten Frauen. Schon bei seinem letzten Besuch des Schwarzlabors hatte er über die Frauen hinweggesehen: Nach seinen Erfahrungen waren Weibsbilder, die sich mit Forschungstätigkeit und Laborarbeiten abgaben, zu häßlich fürs wahre Leben; jedenfalls zu häßlich, um ihnen Beachtung zu schenken. Und von den Männern kannte er nur eine Person vom Sehen.
Deaner Beckmann: den Gründer, die treibende Kraft und die leibhaftige Verkörperung des Schwarzlabors.
Entweder Vectors oder Nicks Name hatte in der Chefetage Aufmerksamkeit erregt.
Der Laboratoriumsdirektor war ein kleiner, stämmiger Mann, der infolge seiner vornübergebeugten Haltung, die den Eindruck erweckte, er wollte durch pure Willenskraft seine Masse vergrößern, um so kürzer und dicker wirkte. Als einziger Anwesender befand möglicherweise er sich unter Drogeneinfluß. Seinen Forschungsmitarbeitern und -mitarbeiterinnen konnte man verschiedene Grade der Achtsamkeit oder Unterordnung ansehen, wogegen er ein Gebaren der Zerstreutheit und nervösen Umtriebigkeit, ja beinahe der Furchtsamkeit an den Tag legte, als wäre er besessen von Träumen, die zu scheitern drohten.
Gravitische Gewebemutation, dachte Nick verächtlich. Kein Wunder, daß der Mann aussah, als käme er allmählich um den Verstand. Wenn Beckmann tatsächlich anstrebte, in einem Schwarzen Loch zu leben, brauchte er sich nur eines zu suchen und hineinfallen zu lassen. Das würde ihn von seiner Verrücktheit kurieren.
Allerdings verbarg Nick seine Geringschätzung. In seinem Denken beurteilte er es als um so günstiger, je übergeschnappter Beckmann war: das erleichterte es ihm, den Wissenschaftler zu übertölpeln.
Außerdem konnte es sein, daß Beckmann sich einfach nur etwas Sorgen wegen der nahezu unmerklichen Stromschwankungen machte, die die Beleuchtung beeinträchtigten wie eine elektronische Schüttellähmung.
»Ich bin Kapitän Succorso«, stellte Nick sich mit heiterem Lächeln Beckmann und dem Laborpersonal vor. »Vielen Dank, daß Sie uns zu sich gelassen haben. Ich glaube« – das war ein einfallsloser Hinweis, trotzdem sprach er ihn aus –, »Sie werden es nicht bereuen.«
»Kapitän Succorso, ich bin Dr. Beckmann.« Im Gegensatz zu seiner vergrämten Miene hatte Beckmanns Stimme einen Tonfall der Kurzangebundenheit und Bestimmtheit; ihr Klang verriet, daß ihn keine Zweifel plagten. »Bitte verzeihen Sie die Gegenwart der Wachen. Sie brauchen sich deswegen durchaus nicht als Gefangener zu fühlen.«
»Wir sind hier«, ergriff einer der Bewaffneten plötzlich das Wort, »weil Ihr Raumschiff ein VMKP-Interspatium-Scout der Kompaktklasse ist.« Quasimilitärische Winkel über dem schwarzen Sonnensymbol an seiner Uniform unterschieden ihn von den übrigen Wächtern. »Bei Ihrem letzten Besuch haben Sie die Käptens Liebchen geflogen, eine Interspatium-Barkentine von« – streng spitzte der Mann den Mund – »dubioser Legalität. Jetzt hat es den Anschein, als ob Sie für die Astro-Schnäpper arbeiteten.«
»Das ist Kommandant Retledge«, machte Dr. Beckmann ihn Nick bekannt. »Er leitet unseren Werkschutz.«
Allem Anschein nach gehörte eine respektvolle Einstellung nicht zu Kommandant Retledges Dienstpflichten. »Ich würde gern eine
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