Amnion 4: Chaos und Ordnung
Selbstbestrafungsdrang ihres gesamten Lebens.
»Wir machen es«, sagte sie zu Angus, obwohl die Summe ihr fast in der Kehle erstickte, das Hämmern ihres Herzens ihr Kälteschwälle verdoppelter Intensität verursachte. »Wir vertrauen dir. Allerdings keineswegs dir allein.«
Sie äußerte die Einschränkung mehr aus Rücksicht auf Davies als um Angus’ willen. »Wir trauen demjenigen, der die Programmierung deines Data-Nukleus vorgenommen hat.« Morn zitterte wie eine Verdammte. »Ich glaube, es ist Warden Dios persönlich gewesen. Meine Ansicht ist, er versucht einen Weg zu finden, um gegen Holt Fasner vorzugehen. Und falls es so ist, bin ich der Meinung, wir sollten ihn unterstützen.«
Sie schlotterte, als hätte die Kälte, die sie durchkroch, eine metaphysische Natur angenommen; als wäre sie von einem Beben der Seele befallen worden, das den Körper nur beiläufig erfaßte.
Trotzdem beendete sie, was sie zu sagen hatte. »Wir sind Polizisten. Wir benutzen keinen Menschen wie ein Ding.«
Angus ballte und entkrampfte die Fäuste, während er langsam den Mund zu einem wilden Grinsen verzog.
Sobald Davies sich umdrehte und die Arme um sie schlang, fing Morn an zu weinen.
NICK
Nick Succorso durchquerte durch die geringe Gravitation des Laboratoriumsasteroiden, als schwebte er auf einer Wolke. Sein Triumphgefühl erhob ihn über alles, er war vor lauter prallen Ambitionen nahezu umnachtet. Gieriges Sehnen und Lechzen, das ihn sein Leben lang zermürbt hatte, sollte endlich, endlich gestillt werden; wurde gestillt. Die Posaune war sein Raumschiff geworden. Aus Gründen, die ihm nichts bedeuteten und die ihn auch gar nicht interessierten, hatte Warden Dios ihm seinen VMKP-Lieblingscyborg unterstellt. Mikka und Vector mußten seine Befehle ausführen. Schon bald sollte er in den Besitz eines im Effekt unerschöpfbaren Vorrats des Antimutagen-Serums der VMKP-DA-Abteilung geraten – und damit allen Reichtums, dessen er je bedürfen mochte. Auch Morn fiel ihm zu, war ihm so sicher wie die Posaune und Angus, reif für die Vergeltung.
Und die Sturmvogel war hier; Sorus Chatelaine war da.
Nicks Herz und Hirn schwammen so übervoll von Seligkeit, daß sie ihn bei seinen Bewegungen beschwingte, er bei jedem Schritt abzuheben schien. Er bemerkte kaum noch das Deck.
Mikka und Vector an seinen Seiten, Sib und Lumpi hinter sich, verließ er die Luftschleuse der Posaune und betrat den Zugangsstollen, der in Deaner Beckmanns Schwarzlabor mündete.
Unter ihrem Verband trug Mikka eine böse Miene zur Schau, während Vector seine Fassade gelassener Ruhe anscheinend vervollkommnet hatte: sein Gesichtsausdruck gab nichts preis. Was Sib und Lumpi anbelangte, scherte es Nick keinen Deut, was sie dachten oder empfanden. Ohnehin hatte er vor, sie auf alle Fälle abzuservieren. Es ihnen heimzuzahlen, daß sie es gewagt hatten, sich gegen ihn zu stellen. Wirklich wichtig war nur Vector. Nick brauchte Mikka nur zur Tarnung. Er hatte dafür gesorgt, daß sie von der Anwesenheit der Sturmvogel nichts wußte. Sie konnte ihm nichts vermasseln, weil sie vom vollen Umfang seiner Absichten nichts ahnte.
Der Eingang hatte eine vollständig kahle Beschaffenheit: Er bestand lediglich aus einem geraden, betonierten Gang zu einer anderen Luftschleuse, erhellt durch längliche, flache Leuchtkörper, deren Helligkeit flackerte, als hätten sie eine Schwankungen unterworfene Stromversorgung. Nick gewahrte keine Scanningfelder oder Detektorsensoren. Das Schwarzlabor schützte sich mit anderweitigen Abwehranlagen, und deren Mehrheit hatte Nick inzwischen passiert.
Mit einem letzten Sprung erreichte er die innere Luftschleuse, drückte den Daumen auf die Taste des daneben an die Wand montierten Interkom-Apparats. »Kapitän Succorso«, meldete er sich. »Wir sind da. Tut mir leid, daß Sie warten mußten.« Er schaute sich um, überzeugte sich davon, daß sich die Schleuse der Posaune geschlossen hatte. »Die Schiffsschleuse ist zu«, sagte er daraufhin, obwohl der Hinweis sich erübrigte. Schon aus Sicherheitsgründen kontrollierte die Reedeaufsicht routinemäßig solche Einzelheiten. Trotzdem sah Nick gewohnheitsmäßig jedesmal nach. »Sie können uns einlassen.«
»Danke, Kapitän.« Die Antwort zeugte von bezähmter Ungeduld. »Achtung, wir öffnen.«
Servomotoren schnurrten. Mit gedämpftem Zischen wurde der minimale Druckunterschied ausgeglichen. Gleich darauf klaffte die Irisblende der Schleuse auf, gewährte Nick und seiner
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