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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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größte Fehler, der mir je unterlaufen ist.« Ihr Mund zuckte, während sie log, aber ihre Stimme blieb ruhig und fest. »Ich möchte mir nicht noch mehr Fehler leisten.«
    Succorso hatte sie nicht erwähnt? Verdammt noch mal, was hatte denn das zu besagen?
    »Gut«, sagte Retledge. Aus der Interkom kam ein Knacken, als er die Verbindung trennte.
    Sorus fühlte sich zu abgeschlafft, um sich zu rühren. Sie senkte den Kopf und schloß die Lider; sofort drohte eine Übermüdung sie zu überwältigen, als ob sie auf die Gravitationsquelle ihrer tiefinnersten Verzweiflung zustürzte. Aber Taverner wandte keine Sekunde lang den Blick von ihr: sie wußte es, ohne hinzuschauen. Seine Aufmerksamkeit gehörte ausschließlich ihr; er konfrontierte sie mit Forderungen, denen sie sich nicht verweigern konnte.
    Was für ein Spielchen trieb Succorso denn jetzt?
    Sorus hatte keine Ahnung. Nach einer halben Minute riß sie sich trotz aller Ausgelaugtheit zusammen und schickte ihr Einsatzteam auf den Weg. Fünfundvierzig Minuten später kehrte das Team zurück. Sorus erwartete es in der Schleuse, die die Sturmvogel mit dem Schwarzlabor verband.
    Neben ihr stand Milos Taverner. Sie hätte es lieber gehabt, er wäre auf der Brücke gewesen, jedoch keine Lust verspürt, sich mit ihm zu zanken. Allerdings hatte sie darauf bestanden, daß er, um seine Fremdartigkeit zu verbergen, eine Sonnenbrille aufsetzte.
    Die vier Teammitglieder waren nicht unbedingt Sorus’ tüchtigste Leute, aber für den auszuführenden Auftrag die beste Auswahl gewesen. Einer der beteiligten Männer, ihr Waffensysteme-Zweitoperator, war ein so großer und lauter Mensch, daß seine Freunde ihm nachsagten, er könnte nicht niesen, ohne daß auf benachbarten Raumschiffen die Nahbereich-Warnsensoren Alarm gäben. Der zweite Mitwirkende, der Steward der Sturmvogel, war schlichtweg das schönste Jüngelchen, das Sorus je gesehen hatte, verkörperte eine offene, durch seine schier unstillbare Lüsternheit verstärkte Verlockung zur Pädophilie. Die dem Team zugeteilte Frau, eine Bordtechnikerin, hatte das sonderbare Talent, einen grenzenlos unterwürfigen Eindruck zu erregen, während ihre Formen fast die Montur sprengten.
    Sorus hatte diese drei ausgesucht, weil sie sich gut zur Ablenkung eigneten. Ohne großen Aufwand konnten sie für nahezu unbeschränkte Dauer die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung auf sich ziehen.
    Zum Befehlshabenden des Einsatzteams harte sie ihren Zweiten Offizier bestimmt, weil er ein schnelles Köpfchen hatte, sich durch Entschlußfreudigkeit auszeichnete und sich darauf verstand, völlig Fremde zur Folgsamkeit zu überreden.
    Befehlsgemäß brachte das Team einen jungen Burschen an. Vielleicht vierzehn oder sechzehn Jahre war er alt, aber durch die Blässe der Furcht in seinem Gesicht sah er jünger aus.
    Mit rauhem Grinsen salutierte der Zweite Offizier vor Sorus. »Kapitänin…!« Dann deutete er auf den Jungen. »Laut Besatzungsverzeichnis der Posaune heißt er Ciro Vasaczk, aber Succorso nennt ihn ›Lumpi‹.«
    Dieser junge Mann war genau, was Sorus brauchte.
    Lumpi hatte eine untersetzte Statur, leicht überbreite Hüften. Seine schlichte Bordmontur war eine Nummer zu groß, deswegen an den Bündchen von Fußknöcheln und Handgelenken zerknittert, aber immerhin sauber. Die Blässe seiner Haut betonte das Weiße seiner Augen zusätzlich; der Mund hing ihm etwas offen. Doch weder zitterte er, noch leistete er Widerstand. Er heftete den Blick auf Sorus, als wäre ihm auf Anhieb klar, daß sein Leben jetzt in ihrer Hand lag; sie und niemand sonst darüber Macht hatte. Wenn sie kein Erbarmen mit ihm hatte, fand sich kein anderer Mitleidiger.
    Praktisch noch ein Kind, dachte Sorus, insgeheim aufgewühlt von einem Selbstabscheu, den sie sich nicht erlauben konnte. Genau richtig.
    »›Lumpi‹?« wiederholte sie mit gelassener Stimme. »Ciro gefällt mir besser.«
    Ihm zuckte eine Braue. Sorus nahm an, daß er zuviel Bammel zum Sprechen hatte. Da jedoch überraschte er sie, indem er trotz seiner Furcht das Wort ergriff. »Kapitän Succorso wird mit Ihrem Verhalten bestimmt nicht einverstanden sein.«
    Ernst betrachtete Sorus ihn. »Natürlich nicht. Genau das ist der Sinn der Sache.« Sie wandte sich an ihren Zweiten Offizier. »Gab’s Probleme?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Wir haben ihn in dem Abfütterungssaal angetroffen, den Beckmann Refektorium nennt. Er saß an ’m Tisch und füllte ’n Bestellformular aus. Man könnte meinen, er

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