Amnion 4: Chaos und Ordnung
sich. In der Zwischenzeit überlasse ich die Hyland-Zwillinge dir, hatte Nick ihm gesagt. Wenn dieser Computer in deiner bösartigen kleinen Rübe mit den beiden ein bißchen spielen möchte, nur zu, tu dir keinen Zwang an. Wahrscheinlich hörte Angus sie gar nicht. Es beschäftigte ihn zu sehr, Morn zu vergewaltigen. Oder Davies bei lebendigem Leibe langsam die Haut abzuziehen…
Mikka konnte ihre Aufgebrachtheit nicht mehr bezähmen, schlug nochmals auf den Schiffsrumpf. Ihre Fingerknöchel hinterließen auf dem Metall einen Schmierstreifen Blut, aber sie spürte keinen Schmerz. In ihrem gegenwärtigen Zustand nahm sie keine kleineren Schrammen mehr zur Kenntnis.
»Gottverdammt noch mal, macht auf!«
»Mikka«, röchelte Ciro abgehackt, »bitte…«
»›Bitte‹?« Sie wirbelte herum, als wollte sie ihn prügeln. »Was bitte?« In seinen Augen stand nichts als Leid. Infolge mangelnder Feuchtigkeit wirkten sie wie entzündet. Nicht einmal wenn er es gewollt hätte, wäre er zum Weinen fähig gewesen: um zu weinen, fehlten ihm die Tränen.
»Töte mich.« Nur mühsam durchdrang seine Stimme die Einengung der Kehle. »Jetzt sofort. Solange noch die Gelegenheit da ist.«
An der Kontrolltafel blinkten Lichter auf, als der Öffnungsmechanismus der Schleuse seine Tätigkeit aufnahm.
Mikka zog den Kopf ein. Empörung und Wut tobten in ihr: Durch die Zähne heulte sie auf, während sie Ciro von der Wand wegriß, als die Schleusenpforte aufschwang und ihn ins Innere der Posaune warf.
Aufgrund der geringen G segelte er quer durch die Schleusenkammer, rumste gegen die innere Schleusenpforte, prallte ab und schwebte zurück zum Einstieg, als hätte er vor, das Weite zu suchen.
Sie fing ihn mitten in der Luft ab und schleuderte ihn ein zweites Mal einwärts.
Wäre sie nicht so flink gewesen, hätte Davies’ Hieb ihr vielleicht den Schädel zerschmettert. Dank ihrer Behendheit führte er den Schlag nicht im genau richtigen Augenblick. Die Pistole in seiner Faust verfehlte ihren Kopf. Statt dessen rammte sich der Pistolengriff tief in die Muskulatur ihrer linken Schulter. Sofort fühlte ihr Arm sich taub an, als hätte sie eine Stunnerknüppel-Entladung abbekommen.
»Scheiße, Mikka!« schimpfte Davies halblaut, aber eindringlich. »Was soll das geben?« wollte er wissen. »Wo ist Nick? Wir dachten, er ist bei dir. Was geht denn vor?«
Im Augenwinkel sah Mikka, daß Morn an der Kontrolltafel Tasten drückte, so rasch es ging, um schleunigst die Schleusenpforte wieder zu schließen.
Morn. Und Davies. Aber Angus war nicht bei ihnen.
Vorerst sparte sich Mikka den mühevollen Versuch, die Situation zu verstehen. Ihr linker Arm war unbrauchbar. Sie mußte Ciro aus ihrem Griff freigeben, um an der inneren Schleusentür und am Lift die Tasten zu betätigen. Danach jedoch packte sie ihn sofort wieder mit der Faust, obwohl er keine Anstalten zum Ausbüxen gemacht hatte.
»Mikka«, rief Davies. Inzwischen war die äußere Schleusenpforte geschlossen, so daß er nicht mehr leise sein mußte.
»Mikka, es tut uns leid«, sagte Morn, sprach besonnener als Davies. »Wir hatten keine Absicht, dich zu überfallen.« Wie Davies war sie bewaffnet: mit einer geladenen, schußbereiten Laserpistole. »Wir dachten, auch Nick käme mit dir… Die Gefahr, daß er überraschend zurückkehrt, war ja nicht von der Hand zu weisen.«
Servomotoren rollten die Türflügel des Lifts aus Mikkas Weg. Sie schubste Ciro in die Aufzugkabine, trat hinter ihm ein, drehte sich um.
»Vector ist fertig«, teilte sie Morn und Davies so deutlich mit, wie sie es konnte. »Er und Nick feilschen jetzt mit Beckmann. Nick hat ihn bei sich behalten. Sie dürften bald eintreffen.« Verzweiflung sickerte durch die Fassade ihrer Selbstbeherrschung nach außen. »Ciro und ich müssen uns aussprechen, also laßt uns in Ruhe.«
Anscheinend hatte Davies kein Gehör für die vielschichtigen Stressuntertöne in ihrer Stimme. »Was geht vor?« fragte er zum zweitenmal. »Was ist da drin passiert?«
Sonderbare Spritzer sprenkelten die Vorderseite seiner fremdartigen Bordmontur. Sie sahen wie Blut aus.
»Wo ist Angus?« konterte Mikka grob mit einer Gegenfrage. »Was ist denn hier an Bord los?«
Wie zur Warnung legte Morn eine Hand auf Davies’ Arm.
Ruckartig klappte er den Mund zu.
Indem sie verhalten vor sich hin knurrte, schloß Mikka die Lifttür, ließ die Kabine aufwärtsfahren. »Bleib von der Brücke fern!« Sie hörte kaum, was Davies ihr nachrief. »Angus
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