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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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geheißen hatte. Ausschließlich Vectors Forschung hatte Bedeutung; nur die Existenz seines Antimutagens der Allgemeinheit bekanntzumachen war wichtig. Rachegelüste waren etwas für verlorene Seelen. Niemand sonst konnte sie sich leisten.
    Aus welchem anderen Grund war sie das Risiko eingegangen, Angus zur Freiheit zurückzuverhelfen?
    Und dennoch vermochte sie Davies keine anderslautende Antwort als ihr Ja zu erteilen. Ihr Mund weigerte sich, eine Weigerung auszusprechen. Sie stand unter dem Joch ihrer Verlusterlebnisse. Ohne diese Traumata hatte sie keine Vorstellung ihrer selbst.
    Niemand in der VMKP wird Ruhe geben, bis deine Mutter gerächt worden ist. Wir werden die Liquidator und sämtliche übrigen Raumschiffe ihrer Sorte aus dem Verkehr ziehen.
    An dieser Haltung war vielleicht nichts falsch. Offenkundig empfand Davies in dieser Hinsicht genauso wie sie, und er hatte fast den gleichen Geist wie sie. Der Brand, der in ihr fraß, hatte auf ihn den gegenteiligen Effekt: er glühte nur so von innerer Gewißheit, Zielbewußtheit; von Leben. Vielleicht war sie zu lange Opfer gewesen: hatte zu viele Tage und Wochen damit verbracht, wie eine Unterworfene zu denken. Möglicherweise war es jetzt an der Zeit, daß andere Jäger die Jagd aufnahmen.
    Deine Mutter hätte sich retten können. Aber sie hat sich dagegen entschieden.
    Bei der Erinnerung an ihre Mutter merkte Morn, daß sie aus eigener Kraft stehen konnte: ihre Beine waren stark genug. Das neurale Lamento des Entzugs hatte sie nicht in der Gewalt. Unvermittelt lachte sie: ein freudloses, rauhes Auflachen voller Anklänge der Zermürbung und Reue. »Aber eine Verfolgung können wir uns wohl sparen. Sie wird sich von sich aus mit uns anlegen.«
    Davies nickte. Seine Hände ließen von Morn ab. Er war bereit.
    »Morn?« fragte Sib nervös. »Ich komme nicht klar. Wovon redet ihr?«
    Nick lag noch ohnmächtig da, sein Atem hauchte schwach aufs Deck. Sein Anblick ermutigte Morn. Es kostete sie einige Anstrengung, aber sie zwang sich dazu, Sib und Vector anzuschauen.
    Vector verstand die Lage so wenig wie Sib. Trotzdem wirkte er nicht beunruhigt. Er hatte einen Rückhalt an Unerschütterlichkeit, der seinem Kameraden fehlte.
    »Davies und ich haben mit dem Raumschiff noch eine Rechnung zu begleichen«, sagte Morn mit verhaltener Stimme. »Der Liquidator. Wir nehmen es uns vor.«
    Sibs Mund deutete Fragen an, die er nicht aussprach. »Genau das wollte auch Nick«, stellte er statt dessen mit merklicher Anspannung fest. Furcht machte seinen Blick verschwommen.
    »Zu dumm, aber nun geschieht’s nicht in seinem Interesse.« Morn seufzte auf. »Wir tun’s in unserem Interesse.«
    Doch trotz ihrer Bemühungen, es sich einzureden, glaubte sie daran selbst nicht.
    »Laß uns abfliegen«, drängte Davies. »Je länger wir warten, desto mehr Zeit hat Chatelaine, um für uns eine Falle vorzubereiten.«
    Morn nickte.
    Davies faßte Sib am Arm und zog ihn zu Nick.
    Sib blickte ängstlich, doch er widerstrebte nicht. Gemeinsam hoben er und Davies Nick an und trugen ihn zum Lift.
    Morn gab Vector mit einer Geste zu verstehen, daß er vorgehen sollte. Sie betrat den Lift als letzte, schloß an der Kontrolltafel die Tür und schickte die Aufzugkabine hinauf zur Mittelsektion des Interspatium-Scouts. Als sie alle zusammen auf die Brücke gelangten, waren Morns knappe Kräfte schon wieder im Schwinden begriffen. Das Andenken ihrer Mutter reichte nicht aus, um ihr Grauen vor Angus zu bezähmen.
    Zwar hatte Davies mit Morns Bewußtsein das Licht der Welt erblickt; dennoch verliefen ihre Gedankengänge nicht vollkommen gleich. Die Monate in Morns Gebärmutter hatten ihn auf so hohe Durchschnittswerte der Stimulation konditioniert, daß sie ein normales Kind getötet hätten. In dieser Beziehung ähnelte seine physische Verfassung ihrem Zonenimplantat-Entzug. Trotzdem bestand zwischen ihnen ein grundlegender Unterschied. Seine Bedürfnisse konnten aus eigenen endokrinen Quellen gedeckt werden; Morn hingegen bedurfte äußerer Beeinflussung.
    Zweifel plagten sie. Mikka und Ciro gingen ihr nicht aus dem Sinn.
    Sie konnte nicht vergessen, daß die gegensätzlichen Funksprüche, die schließlich Nick ebenso zum Gelackmeierten gemacht hatten wie vor ihm alle anderen an Bord, den nebulösen Zielen eines übergeordneten Konflikts dienten; ihr unersichtlichen und für sie nicht beurteilbaren Zwecken.
    Am wenigsten jedoch vermochte sie zu vergessen, daß sie nicht wußte, ob sie Angus Vertrauen

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