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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ein Laut entfuhr. Liquidator! Vector streckte die Hand nach ihr aus. »Morn«, jammerte Sib, »was ist denn, hab ich was Falsches gesagt?« Morn verstand nicht, was die beiden wollten. Altes Weh zerriß ihr die Brust, und sie konnte für nichts anderes Beachtung erübrigen.
    »Liquidator«, drang es gleichzeitig über ihre und Davies’ Lippen, gemahnte an das nahezu tonlose Heulen verwaister, durch die Nabelschnur an ihre Vergangenheit gefesselter Kinder.
    So wie das Schwelen der Entzugserscheinungen kehrte nun auch die Erinnerung an das Piratenraumschiff zurück; erfüllte Morns Gemüt mit schrecklicher seelischer Qual.
    Sie schien wieder ein kleines Mädchen in den Armen ihres Vaters zu sein, während er sie über den Tod ihrer Mutter informierte.
    Seine Stimme klang fest und deutlich, genau wie die Stimme eines Mannes, der zu sehr zu würdigen wußte, was seine Frau getan hatte, um sich dagegen aufzulehnen. Dennoch rannen ihm Tränen aus den Augen, sammelten sich an den soviel Selbstsicherheit ausdrückenden Umrissen des Kinns und fielen wie Regentropfen auf Morns schmalen Brustkorb.
    Wir hatten einen Notruf eines Erzumladedepots im Bereich der Orion-Sphäre empfangen. Ein Illegaler hatte das Depot brutal attackiert…
    Das Raumschiff nannte sich Liquidator. Schnell flog es nicht, und anscheinend hatte es keinen Pontonantrieb. Aber es verfügte über schwere Bewaffnung, eine Bewaffnung wie ein Schlachtschiff.
    Weil wir zu unvorsichtig gewesen sind, riß der erste Schuß der Liquidator der Intransigenz eine ganze Rumpfseite auf…
    Wir sind mit einem puren Superlicht-Protonenstrahl beschossen worden.
    Der Protonenstrahl richtete soviel Beschädigungen an, daß er uns die Zielerfassung unmöglich machte. Ein zweiter Strahltreffer hätte uns vernichtet.
    Deine Mutter saß auf ihrem Posten in der Feuerleitzentrale. Und die Feuerleitzentrale gehörte zu den Abschnitten der Intransigenz, die die Liquidator getroffen hatte. Die Rumpfseite der Intransigenz war auf voller Länge undicht geworden. Die Luft entwich aus der Feuerleitzentrale.
    Deine Mutter hätte sich retten können. Aber sie hat sich dagegen entschieden. Während ihr die Atemluft ausging, die Feuerleitzentrale dekompressierte, legte sie die Zielerfassungsfunktionen auf andere Schaltkreise um, damit wir unsere Kanonen wieder einsetzen könnten.
    Darum hat die Intransigenz das Gefecht überstanden. Sie hat es uns rechtzeitig ermöglicht, unsere Kanonen aufs Ziel zu richten. Wir haben die Liquidator mit unserer gesamten Schiffsartillerie unter Beschuß genommen.
    Aber da war deine Mutter schon verloren gewesen.
    Sie hat ihr Leben für ihre Schiffskameraden geopfert.
    Und dann hatte Morns Vater ein Versprechen abgelegt. Niemand in der VMKP wird Ruhe geben, bis deine Mutter gerächt worden ist. Wir werden die Liquidator und sämtliche übrigen Raumschiffe ihrer Sorte aus dem Verkehr ziehen.
    Als er seine Schilderung beendete, hatte Morn beschlossen – noch in seinen Armen –, ebenfalls Polizistin zu werden. Sie hatte sich zu sehr für sich selbst geschämt, um einen anderen Entschluß zu fassen.
    Das war der für ihr weiteres Leben maßgebliche Moment ihrer Kindheit gewesen: der Moment, der sie zu dem gemacht hatte, was sie gewesen war, als die Stellar Regent die Havarie erlitt: eine Polizistin, die sich nicht gegen Angus zu wehren vermocht hatte. Ihre Scham saß zu tief; hatte sie zu nachhaltig geprägt.
    Ihr war entgangen, daß Davies sich von der Stelle bewegt hatte; jetzt stand er auf einmal vor ihr. Seine Hände packten ihre Schultern, als gedächte er sie aufzurütteln. Die Augen ausgenommen, hatte er die jüngere Ausgabe des Gesichts seines Vaters: platt und voller Verbitterung, eine Ballung der Bösartigkeit. Aber die Augen machten den wesentlichen Unterschied.
    In seinen Augen glosten Morns Erinnerungen, gespeist vom selben Brennstoff, der in ihr die Glut nährte.
    »Wir knöpfen sie uns vor«, sagte er durch die Zähne zu Morn.
    »Ja«, gab sie zur Antwort.
    Nein, rief hingegen ihr Herz. Nein!
    Rache war zu kostspielig. Das hatte sie auf die harte Tour gelernt. Oder etwa nicht? Sie hatte gesehen, um was Nick dadurch gebracht worden war: sein Raumschiff und seinen Ruf, die einzigen Gegebenheiten seines Daseins, die ihn bei Verstand gehalten hatten. Und seit dem Untergang der Stellar Regent hatte Morn unablässig den Preis ihres alten Eigengrolls gezahlt. Es blieb gleichgültig, wer Sorus Chatelaine wirklich war; wie die Sturmvogel früher einmal

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