Amnion 4: Chaos und Ordnung
Sib mußte seine Wissenslücken schließen, so gut er es konnte. »Wir möchten klarstellen, ob das wahr ist.«
»Aha«, brummelte Vector gedämpft. »Dir haltet nichts von halben Sachen, hm? Ihr zieht die radikale Alles-oder-nichts-Methode vor. War’s zuviel verlangt, uns zu erklären, wie er das schaffen will? Data-Nuklei nachträglich zu verändern soll bekanntlich unmöglich sein.«
Später. Morn hob die Hand, um ihn zu vertrösten. Falls wir mit dem Leben davonkommen. Und wir Zeit haben.
Davies betrachtete Angus’ Rücken; fluchte unterdrückt; wandte sich zur Seite. Er suchte Tupfer aus dem Verbandskasten und wischte das Übermaß an Blut ab, um die Buchse für den Chip erkennen zu können.
Wie in äußerster Hoffnungslosigkeit hing Angus’ Kopf herab. Er ertrug Davies’ Tasten und Wühlen, als hätte die Entfernung des Data-Nukleus ihn jeglichen normalen Empfindungsvermögens beraubt.
Unvermittelt knackten die Lautsprecher der Steuerbrücke.
»Posaune, hier spricht die Kommunikationszentrale. Wir warten.«
Warten? Ach du Scheiße. Augenblicklich paralysierte Stumpfheit Morns Hirn. Auf was warteten sie dort?
Davies erstarrte mitten in der Bewegung.
In Sibs Augen schillerte Panik. Doch ehe er etwas sagen konnte, griff Vector ein.
»Am besten sprichst du mit denen, Sib.« Seine Ruhe stellte klar, daß er gänzliches Zutrauen zu dem früheren Datensysteme-Hauptoperator hegte. »Es wird sie zwar überraschen, wenn du antwortest, aber daran läßt sich nichts ändern. Morn, Davies und Angus kommen nicht in Frage, sie sind offiziell gar nicht anwesend. Und mir glaubt man in der Kommunikationszentrale bestimmt nicht. Ich bin bloß Genetiker. Und was Nick angeht…« Phlegmatisch lächelte Vector. »Wie’s aussieht, ist er für die nächste Zeit zu nichts zu gebrauchen. Folglich bleibst nur du übrig.«
Sib konnte sein Muffensausen nicht verbergen. Sein Gesicht schien bei der Erinnerung an früheres Versagen zu schwitzen. Trotzdem stärkte Vectors Zuversicht ihm ein wenig das Rückgrat. Oder vielleicht besann er sich darauf, daß Morn und Davies ohne seine Hilfe Nick nicht bezwungen hätten. Ungeachtet seiner Furchtsamkeit eilte er zur Kontrollkonsole des Ersten Offiziers.
Während Morn sich vorzustellen versuchte, auf was die Kommunikationszentrale warten mochte, aktivierte Sib das Mikrofon der Interkom.
Vector kannte kein Säumen. »Wenn du mir den Datenchip gibst«, sagte er zu Davies, »speise ich die kartografischen Informationen dem Bordcomputer ein. Das kann ich an der Auxiliarkommandokonsole erledigen. Dann sind wir dazu imstande, den Asteroidenschwarm wohlbehalten zu verlassen« – sein Blick fiel auf Angus –, »egal was passiert.«
Mit düsterer Miene reichte Davies ihm den Datenträger. Sofort setzte er die Arbeit an Angus’ Rücken fort, bemühte sich, soviel Blut zu entfernen, daß er sehen konnte, was er am Interncomputer tat.
»Posaune an Kommunikationszentrale«, meldete Sib sich mit beinahe fester Stimme. »Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung. Wir sind so gut wie startbereit.«
Vector lächelte ins Rund der Steuerbrücke. Dann strebte er zur Auxiliarkommandokonsole-TechnikkontrollpultKombination.
»So kommt’s mir ganz ordentlich vor«, murmelte Davies hinter Angus’ offenem Rücken. Er nahm eine kleine Elektronikzange zur Hand, ergriff damit den Data-Nukleus. »Nun kann ich ihn eventuell einstöpseln, ohne daß er verkehrt herum steckt.«
Er hielt den Atem an, damit seine Hand nicht zitterte, und näherte den Data-Nukleus Angus’ Interncomputer. »Posaune, wer spricht da?« wünschte die Kommunikationszentrale in scharfem Ton zu erfahren. »Wo ist Kapitän Succorso?«
Morn kannte die Stimme des Sprechers nicht.
»Ich muß mich nochmals entschuldigen, Kommandant Retledge«, antwortete Sib. »Hier spricht Sib Mackern. Ich glaube, ich muß Ihnen die Situation erklären. Die Wahrheit ist« – mit etwas Mühe gelang es ihm, seine Zaghaftigkeit nach Verlegenheit klingen zu lassen –, »daß Kapitän Succorso und Dr. Shaheed leider nicht mit dem Feiern warten mochten. Sie sind in der Kombüse und schon halb betrunken. Vielleicht könnte ich den Kapitän dazu überreden, mit Ihnen zu sprechen, aber ich bezweifle ernsthaft, daß ’s ihn jetzt interessiert, ob wir jemals ablegen.«
Sobald er einmal mit dem Schwatzen losgelegt hatte, stockte Sib nicht mehr. Er gewann an Selbstsicherheit. »Mikka Vasaczk behandelt ihren Bruder im Krankenrevier. Anscheinend hat er irgendein
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