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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Scharfes die Haut zwischen seinen Schulterblättern zertrennte. Es hätte weh tun müssen, aber er war viel zu fernab von jeder Schmerzempfindung. Der Einschnitt hätte ebensogut bei einer anderen Person erfolgen können.
    Außerdem war er dergleichen schon gewöhnt. Während er allein mit Warden Dios in dessen Konferenzsaal gesessen hatte, im Licht einer Lampe vornübergebeugt wie ein Schlachtopfer, war vom VMKP-Polizeipräsidenten die gleiche Maßnahme vorgenommen worden: Er hatte Angus den Rücken aufgeschnitten, das Blut abgewischt, den alten Data-Nukleus abgestöpselt und einen neuen angeschlossen. Unterdessen hatte Dios ununterbrochen geredet.
    Wenn Min wüßte, warum ich so handle, hätte sie eventuell etwas dagegen… ›Unifikation‹ nennen wir diese Methode. ›Summation‹ heißt es, wird ein Mann oder eine Frau freiwillig in einen Cyborg verwandelt… In wesentlichen Beziehungen sind Sie kein Mensch mehr. Sie sind zu einer machina infernalis geworden, einer Höllenmaschine. Wir haben Sie jeder Wahl beraubt… und Ihnen jede Verantwortung genommen.
    Davies schimpfte leise vor sich hin, während er jetzt das gleiche tat, nur aus anderen Gründen. Damals hatte Angus es gemerkt, als Dios den Data-Nukleus entnahm: dicht hinter dem Fenster, das ihn mit dem Interncomputer verband, einen Abgrund erahnt, so tief wie die Kluft zwischen den Sternen, eine Leere, die nur darauf zu lauern schien, ihn zu verschlingen… Diesmal jedoch bemerkte er nur den Ruck, der in seinem Rücken entstand, als Davies den Data-Nukleus herauszog. Keine Änderung trat ein.
    Angus war längst dem Abgrund verfallen. Die Gewalt, die die Leere über ihn hatte, konnte nicht mehr schlimmer sein.
    Aber das war, wie er wußte, nicht die Wahrheit. Gefangen im Kinderbett des EA-Anzugs, halb erstickt, hatte er der Freistaat Eden eine Singularitätsgranate entgegengeschleudert. Und anschließend hatte er mit der tragbaren Materiekanone geschossen, trotz des Chaos im Asteroidengürtel und der durch den Kaltstart der Posaune hervorgerufenen Instabilität seines Standorts zielsicher gefeuert. Dank seiner Gerissenheit und Geschicklichkeit hatte er selbst, ganz gleich, wer ihm Übles antat, oder warum, diese Singularität erschaffen. Morn hatte ihn befreit, damit er die Chance zu kämpfen erhielt.
    Und danach war er vom Rande des selbstgeschaffenen Schwarzen Lochs zurückgerissen worden. Er hatte nicht allein gestanden; andere Menschen hatten ihn gerettet. Es wäre ihnen möglich gewesen, er jedenfalls verdammt wahr! – hätte es getan, diese Gelegenheit genutzt, um den Schlächter, Vergewaltiger und Illegalen loszuwerden, der wie ein Frosch aussah und stank wie ein Schwein, und niemand hätte daran Anstoß nehmen können. Ein für allemal wäre er abserviert gewesen.
    Doch die Menschen in seinem Umfeld hatten sich anders verhalten. Sie hatten ihn aus dem Rachen des Unheils geborgen. Und jetzt versuchten sie in anderer Beziehung das gleiche noch einmal.
    Ganz ohne Frage konnte die Macht des Abgrunds über ihn sich noch ärger gestalten. Möglicherweise scheiterten Davies, Mikka und Vector…
    Hätte er es in voller Stärke empfinden können, vielleicht hätte Angus’ Entsetzen ihn zermalmt. Doch sein Körper war dagegen gefeit. Nur sein Geist blieb wehrlos.
    »Wie lange müssen wir abwarten?« fragte Mikka hörbar gespannt.
    »Woher soll ich das wissen?« fragte Davies unwirsch zurück. »Den Data-Nukleus habe ich noch nie abgestöpselt. Und zusammengebastelt hab ich diesen Scheiß auch nicht.«
    Mit unnatürlich ruhiger Stimme äußerte Vector eine Bemerkung. »Orn Vorbuld sagte immer« – Angus kannte den Namen nicht –, »man müßte den Chips den bösen Juju austreiben.«
    Mikka prustete. »Orn Vorbuld war ein Arschloch.«
    War. Inzwischen anscheinend tot. Noch ein Abgang.
    So abgeschrieben wie Angus selbst.
    Versucht es, stöhnte er. Habt ihr noch nicht lange genug gewartet? Habt ihr mich nicht genug gequält? Beim Henker, versucht es! Rettet mich oder laßt mich verrecken…
    »Scheiß drauf«, murrte Davies verbissen. »Ich weiß nicht, wozu wir noch herumbummeln. Gib mir ’n Tupfer. Ich kann nichts einstöpseln, wenn ich die verdammte Buchse nicht sehe.« Wir haben ein Verbrechen an Ihrer Seele begangen.
    Angus spürte energischsachten Druck im Rücken, als Davies Blut abtupfte. Die Wundränder an dem von Davies angebrachten Einschnitt schienen vor Kälte zu brennen, als ob sie in der Luft des Krankenreviers auskühlten; als sickerte die

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