Amok der Amazonen
selbständig sein wie jetzt«, versetzte sie ganz zusammenhanglos.
Sie saß auf dem Couchrand und
trug einen grauen Männerpyjama, der ganz lose saß und sie aussehen ließ wie ein
kleines Mädchen. Ihr Haar, das eine Farbe hatte wie gebrannte Mandeln, hing ihr
lose auf die Schultern und schimmerte im Licht der Tischlampe, die sie
angeknipst haben mußte.
»Ich weiß nicht, ob wir über
Waffen oder Männer sprechen«, bemerkte ich im Konversationston.
»Ach, sind sie nicht einfach
zweierlei Aspekte derselben Sache — ich meine, beide sind Symbole harter,
gefühlloser Macht, oder nicht ?«
»Das finde ich nicht .« Ich setzte mich auf. »Männer sind auch Menschen, ob Sie es
glauben oder nicht .«
»Das weiß ich doch, Randy .« Sie blickte mich aus aufrichtigen Augen an. »Ich bin
keine Männerhasserin, wirklich nicht. Ich mache den Männern keinen Vorwurf
daraus, daß sie so sind, wie sie sind. Unsere Gesellschaft hat sie dazu gemacht.
Aber wir müssen nun die Vorstellungen darüber, was weiblich und was männlich
ist, neu formen. Wir haben alles ganz durcheinander gebracht .«
»Ich weiß ein gutes Mittel, um
alles wieder ins reine zu bringen — es hat noch nie versagt«, erklärte ich
hoffnungsvoll.
»Ach, Unsinn!« Sie wieherte
mißbilligend. »Ihr Männer. Sehen Sie, genau das meine ich. Tatsache ist, daß
durch das Bett gar nicht alles ins reine gebracht werden kann. Wir Frauen haben
uns von diesem Argument viel zu lange düpieren lassen. Aber das wird jetzt
anders. Bei mir wirkt das jedenfalls nicht mehr .«
»Linda, meine Süße«, sagte ich,
nun selbst leicht gereizt, »ich finde, Frauen sollten bezahlt werden wie die
Männer, sollten die gleichen Rechte haben, die gleichen Freiheiten und die
gleiche Gelegenheit, mir gegenüber ihre elementaren weiblichen Instinkte zum
Ausdruck zu bringen. Was ist daran so unrecht ?«
Sie maß mich mit einem langen,
abschätzenden Blick und sagte schließlich: »Nichts, wahrscheinlich; aber
irgendwie liebe ich Charles immer noch, und es wäre nicht anständig, wenn ich
mich jetzt einem anderen Mann hingäbe .«
Ich schwang die Beine vom
Diwan. Ich machte mir nicht die Mühe, darauf hinzuweisen, daß »hingeben« nicht
gerade das rechte Wort war, wenn es ihr mit dem, was sie gesagt hatte, ernst
war. Und ich fragte auch nicht, wie man jemanden »irgendwie« lieben kann. Um
vier Uhr morgens stand mir der Sinn nicht nach hochgeistigen Gesprächen. Ich
stöhnte, als ich auf meine Uhr sah, und bückte mich, um meine Schuhe
anzuziehen, die ich irgendwann zwischen dem dritten und dem vierten Schnaps
weggeschleudert hatte.
»Ziehen Sie die Schuhe
augenblicklich wieder aus, Randy Roberts«, sagte eine melodische aber strenge
Stimme von der Tür her. »Linda Lazareth , wie kannst
du es wagen, ihn mir einfach wegzuschnappen ?«
» Denice !«
Linda sprang auf. »Das ist nicht wahr. Wir haben nur über die Stellung von Mann
und Frau — «
»Das kann ich mir denken«,
unterbrach sie und huschte in einem blauen Nylonhemdchen eilig durch das
Zimmer. »Und für welche Stellung hattet ihr euch entschieden ?« fragte sie spöttisch.
»Ich habe nicht von so etwas
gesprochen«, jammerte Linda. »Mein Gott, Denice , hast
du denn gar nichts anderes im Kopf ?«
»Ich bin anscheinend nicht die
einzige. Aber ich habe ältere Rechte auf ihn als du. Wirklich, Linda, ich
verstehe gar nicht, wie du so hinterlistig sein kannst — «
» Denice ,
ich sage dir doch — «
»Ich möchte darauf hinweisen«,
mischte ich mich ein, »daß ich als emanzipierter Mann mir das Recht vorbehalte,
zu entscheiden, wer welche Rechte auf mich hat .«
Denice kicherte. »Ach, Randy, ich
wußte ja gleich, daß Sie ein netter Kerl sind. Ihnen macht Sex genausoviel Spaß wie mir, nicht wahr ?«
» Denice ,
ich bin nicht hergekommen, um mich über Mr. Roberts’ Liebesleben zu
unterhalten«, sagte Linda eisig. »Ich wollte ihm etwas sagen .«
»Dann schießen Sie los«, meinte
ich.
»Ich hätte es schon vorher
erwähnen sollen, aber wir wurden abgelenkt, weil wir — «
»Sage es ihm schon, Linda,
bitte«, flehte Denice . »Damit ich endlich freie Bahn
habe .«
»Ich wollte Ihnen sagen, daß
ich zu hören glaubte, wie jemand das Tor öffnete. Ich wachte von einem Traum
auf und holte mir ein Glas Wasser und lag im Bett, als ich ganz deutlich hörte —
«
Der Knall des Schusses wurde
vom Wind durch die Terrassentür getragen. Es war ein lang anhaltendes Geräusch,
das in der Stille widerhallte.
Hastig
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