Amok der Amazonen
.«
»Aber erschießen Sie nicht
versehentlich Charles«, rief Linda, als ich davonflitzte. »Er ist auch draußen .«
10
Mitten in einem Tulpenbeet
stieß ich mit Charlie zusammen. Es gelang mir ihn davon abzubringen, mich
anzufallen, indem ich aus vollem Hals meinen Namen brüllte. Aber nach dem, was
ich im schwachen Mondlicht von ihm sehen konnte, war er sowieso nicht in der
Verfassung, jemand anzugreifen. Er sah aus wie ein naseweiser Zirkusbesucher,
der den Löwen im Käfig zu nahe gekommen war. Sein Anzug war zerrissen, sein
Gesicht zerkratzt.
»Warum haben Sie mich im Stich
gelassen, als dieses Teufelsweib auftauchte ?« schrie
er wütend.
»Jeder Mensch muß seine
Schlachten selbst schlagen, Charlie. Das ist eine der Regeln unseres von
Männern regierten Systems. Es heißt das Gesetz des Dschungels .«
»Danke«, knurrte er böse. »Und
nennen Sie mich nicht Charlie .«
»Sie haben recht«, stellte ich
mit Entschiedenheit fest. »Sie sind viel mehr ein Charles-Typ. Der Typ, der in
einer kalten Nacht die Socken im Bett anläßt und sich
einen Dreck darum schert, wie komisch die schöne Blondine, mit der er schläft,
das findet.«
»Linda ist rothaarig«, stellte
er gereizt fest.
»Und Denice hat braunes Haar. Woher soll ich wissen, ob Sie nicht irgendwo noch eine
appetitliche Blondine versteckt halten ?«
»Soll ich die ganze Nacht in
diesem Blumenbeet stehen und mir Ihre sinnlosen Unverschämtheiten anhören, oder
suchen wir endlich diesen Wahnsinnigen ?«
»Sie haben recht«, stimmte ich
zu, da ich ein vernünftiger Mensch bin. »Wenn wir Pech haben, hat er uns
bereits gesichtet und legt schon auf uns an .«
Die Vorstellung reichte, um ihn
anzutreiben. Das Tulpenbeet sah aus, als wäre eine Büffelherde darüber
hinweggefegt, als wir auf der anderen Seite der Eukalyptusbäume festeren Boden
betraten. Wir brachten einige Zeit damit zu, das ganze Gelände zu
durchstreifen, doch wir hörten und sahen nichts. Schließlich war ich mit Morgan
der Meinung, das es am
besten wäre, zum Haus zurückzukehren.
»Der Mörder hat vielleicht
einen Bogen um uns geschlagen und ist schon im Haus«, sagte er in plötzlicher
Panik und begann zu laufen.
Der Gedanke war auch mir schon
gekommen, und ich konnte nur hoffen, daß Linda und Carrie hinaufgegangen waren,
um nach Doris zu sehen, wie ich angeordnet hatte. Doch wenn der Mörder
kaltblütig und entschlossen war, dann würde er es vielleicht fertigbringen,
alle drei zu töten. Trotzdem war ich optimistisch. Wir hatten ja keine Schüsse
gehört.
Linda und Carrie standen im
Flur im ersten Stock vor der ersten Tür rechts.
»Libby ist jetzt bei ihr«,
sagte Linda gepreßt. »Habt ihr ihn gefaßt ?«
»Er ist uns entkommen«, sagte
Morgan brüsk und sah sie nicht an. »Wir dachten, er hätte sich vielleicht zum
Haus durchgeschlagen .«
»Ach, du Schreck«, stöhnte
Linda und kaute verzweifelt an den langen gepflegten Fingernägeln. »Habt ihr — habt
ihr unten nachgesehen ?«
»Wir hätten es bestimmt gehört,
wenn jemand hereingekommen wäre«, meine Carrie vernünftig. »Die Terrassentür
ist doch noch abgeschlossen, oder? Und Mr. Roberts hat bestimmt die Haustür
hinter sich geschlossen .«
Ich blickte in Carries dunkle,
entschlossene Augen und sagte mir, daß der Waffenstillstand zwischen uns
vielleicht beendet war.
»Ich gehe hinunter und sehe
nach, ob alles abgeschlossen ist«, sagte Charles förmlich.
»Das ist sehr tapfer von dir,
Charles«, lobte Linda pflichtschuldigst.
Mit einem schwachen Lächeln auf
den Lippen rannte Charles die Treppe hinunter.
»Doris schläft«, bemerkte
Carrie. »Sie schlief schon, als wir herauf kamen .«
»Wo war Libby ?« fragte ich.
»Unten«, antwortete Linda. »Sie
kam ungefähr fünf Minuten nach uns herauf, gleich, nachdem ich mir eine frische
Bluse angezogen hatte .«
Ich hatte schon gesehen, daß
sie sich umgezogen hatte. Ihre Brüste waren jetzt züchtig unter einem engen,
rosafarbenen Pullover verborgen.
»Ich weiß nicht, wer der Kerl
war, den Sie gesehen haben«, sagte ich, »aber es ist anzunehmen, daß er der
Mann mit dem Revolver ist. Was besagen will, daß der Schuß auf Doris vielleicht
doch ein ernstgemeinter Anschlag auf ihr Leben war. Ich halte es für das beste , wenn sie heute nacht bewacht wird .«
»Sollten wir nicht die Polizei
benachrichtigen ?« keuchte Morgan, als er die letzten
Stufen heraufrannte. »Da unten ist übrigens alles ruhig. Die Türen und Fenster
sind alle
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