Amok: Thriller (German Edition)
gehabt haben, als wir darüber diskutierten, ob wir zur Polizei gehen sollten?«
»Ja, kann schon sein – obwohl meine Hauptsorge war, wie sie unseren Besuch bei Peggy Forester bewerten würden.«
Er klang durchaus aufrichtig, doch Julia war an einem Punkt angelangt, wo sie sich auf nichts mehr verlassen mochte.
»Hast du je herausgefunden, was aus dem Polizisten geworden ist?«
»Der Vorgesetzte war definitiv korrupt, aber er hat vorzeitig den Dienst quittiert und sich nach Spanien abgesetzt. Wurde nie zur Rechenschaft gezogen. Sein getreuer Sergeant ist heute Detective Inspector und arbeitet hier in Sussex.« Craig lachte. »Und wenn du denkst, dass das wie ein Desaster klingt, dann warte ab, bis ich dir von dem Schlamassel erzähle, in dem ich jetzt stecke.«
Nach der Begegnung mit Vilner fühlte George sich ausgelaugt. Wieder dachte er an den Vorschlag, den Toby ihm am Dienstag gemacht hatte. Einen Koffer packen und in einen Flieger nach Antigua steigen. Alles zurücklassen: Vilner, Kendrick … Vanessa.
Nein. Er konnte Vanessa nicht zurücklassen.
Als er nach ihr schaute, schlief sie fest. Das war gut. So konnte er ihr die Details seines Gesprächs mit Vilner ersparen. Sinnlos, sie damit zu belasten.
Zehn Prozent war eine unverschämte Forderung. Vilner hatte nicht die Beweise, um sie zu rechtfertigen, doch er wusste ebenso gut wie George, dass die Medien darauf pfeifen würden, ob sich irgendetwas beweisen ließ oder nicht. Wie übrigens auch Craig Walker.
Er fragte sich, ob das zu Vilners Plan gehörte – Craig und Julia Trent als seine Sprachrohre zu benutzen, sodass er im Hintergrund bleiben konnte. So hätte er selbst es gemacht, dachte er. Sich mit den Feinden seines Feindes verbünden.
Das führte ihn zu der Überlegung, ob er nicht eine ähnliche Taktik anwenden sollte. Vilner hatte einen schweren Fehler begangen, als er zugab, dass er Kendrick Informationen vorenthalten hatte. Zweifellos ging er davon aus, dass George ihn schon nicht bei Kendrick verpfeifen würde, aus Angst, seine eigene Position zu schwächen. Aber George wusste: Wenn die Probleme sich häuften, musste man sie eins nach dem anderen abarbeiten. Man musste Prioritäten setzen. Zunächst galt es, Vilners Drohung zu entschärfen; danach konnte er sich immer noch Gedanken darüber machen, wie das seine Stellung gegenüber Kendrick beeinflusste.
Aber es war ein großer Schritt, den er nicht unbedacht angehen durfte.
Schlaf erst mal eine Nacht drüber, entschied er schließlich. Und morgen redest du dann mit Kendrick.
Julia stellte fest, dass sie Kaffee brauchte. Sie schlug Craigs Angebot aus, ihr einen zu machen, und ging in die Küche. Craig folgte ihr und blieb unschlüssig in der Tür stehen.
»Er heißt Sullivan«, sagte er. »Ich habe ihn in einem der Fernsehberichte über das Massaker entdeckt. Und ich fand, dass er mir einen Gefallen schuldete.«
»Und so bist du an den Bericht gekommen?«
»Und an die Adresse deiner Pension«, gestand er zerknirscht. »Aber es war von Anfang an ein gewagtes Unterfangen. Ich habe mich gestern mit ihm getroffen und ihm von den Ereignissen dieser Woche erzählt. Ich dachte, so könnte ich ihn von der Existenz eines zweiten Täters überzeugen. Wie sich herausstellte, war gar keine Überzeugungsarbeit nötig.«
Julia, die gerade die Kaffeekanne ausspülte, hielt in der Bewegung inne. »Er ist auch der Meinung, dass es einen zweiten Täter gab?«
»Ja. Aber er glaubt, dass ich es bin«, sagte Craig schroff und verbittert.
Julia konnte ihre Erschütterung nicht ganz verbergen. Sie öffnete eine Schublade, nahm ein Geschirrtuch heraus und begann die Kanne abzutrocknen. Natürlich war er nicht der Mörder. Sie hatte den Mörder an diesem Morgen gesehen, im Haus ihrer Eltern. Craig war direkt hinter ihr gewesen. Er konnte nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.
Es sei denn, es war mehr als eine Person beteiligt …
Craig musste ihren Gedankengang erraten haben. »Ich bin es nicht«, sagte er. »Wenn du auch sonst nichts von dem glaubst, was ich dir erzählt habe, das musst du mir glauben.«
Julia war noch nicht in der Lage, sich dazu zu äußern. Stattdessen fragte sie: »Aber du bist sicher, dass Sullivan Georges Maulwurf ist?«
»Es würde eine Menge erklären. Er ist genau die Art Abschaum, die man auf Mathesons Gehaltsliste erwarten würde.«
Er sprach nicht weiter, lehnte sich nur an den Türrahmen und sah zu, wie sie Kaffee in die Cafetière löffelte. Anders als sie
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