Amok: Thriller (German Edition)
Spiel?«
»Ich habe nirgends die Finger im Spiel«, knurrte Sullivan. »Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon Sie reden. Haben Sie irgendeinen Beweis, dass George das geschickt hat?«
Einige der Passanten mussten seinen aggressiven Tonfall registriert haben, denn plötzlich wurde die freie Fläche um sie herum größer. Sullivan sah sich um; seine einzige Sorge war, dass die beiden Uniformierten sicher außer Hörweite waren.
»Eine befreundete Journalistin hat über das Massaker recherchiert«, sagte Craig. »Jetzt wird sie vermisst. Ich bin nach London gekommen, um herauszufinden, was mit ihr passiert ist.«
Sullivan stand vor einem Rätsel. Das war eine Sache, von der er nichts wusste. Zugleich wurde ihm klar, dass Craig das mit Alice Jones noch nicht wissen konnte.
»Sagen Sie mir, wie sie heißt. Ich werde mal sehen, was ich herausfinden kann.«
Craig schien skeptisch, doch er nannte ihm den Namen und dazu den des Beamten bei der Met, der mit dem Fall betraut war. Zum Schluss sagte er: »Dieser ganze Mist, den Sie da am Donnerstag verzapft haben, dass ich der zweite Schütze wäre – ich hoffe, das hier wird dem endlich ein Ende setzen.«
Sullivan gab ihm den Umschlag zurück. Er grinste. »Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass Sie auf mich eigentlich nie wie der typische Massenmörder gewirkt haben.«
»Gut. Und wenn es Matheson ist, der dahintersteckt, dann können Sie ihm ausrichten, dass er damit nicht durchkommen wird. Niemand bedroht meine Kinder. Niemand.«
»Augenblick mal«, sagte Sullivan. »Ich weiß, Sie sind sauer, aber ich sage es Ihnen nicht noch einmal. Ich habe nichts damit zu tun. Ich tappe genauso im Dunkeln wie Sie.«
Craig starrte ihn an, die Augen argwöhnisch zusammengekniffen. Schließlich seufzte er. »Dann gnade uns Gott, Ihnen und mir.«
Der Anruf änderte alles. Der Killer erkannte sofort, was sich daraus machen ließ. Das würde perfekt in seine Pläne passen.
Das Netz zog sich zusammen. Zwecklos, es zu leugnen oder die Augen davor zu verschließen. Aber das war schon in Ordnung. Er war schlauer als die Leute, die hinter ihm her waren. Schlauer und raffinierter und, was das Wichtigste war, skrupelloser. Er war ihnen immer noch einen Schritt voraus, und Alice Jones hatte ihm gerade einen noch größeren Vorsprung verschafft.
Die Existenz eines zweiten Täters ließ sich nicht mehr sehr viel länger bestreiten. Trotz des Fehlens konkreter Beweise würde die Kombination aus Zeugenaussagen und dem Druck der Medien die Polizei sehr schnell davon überzeugen, dass sie die Sache ernst nehmen musste. Und wenn erst einmal die Existenz des zweiten Täters anerkannt war, dann ging es nur noch um seine Identität.
Es war klar, was er zu tun hatte: Er musste ihnen jemand anderen liefern. Jemanden mit einem klaren, unbestreitbaren Motiv.
Wie zum Beispiel Habgier.
Und so gesehen, kam eigentlich nur ein einziger Kandidat in Frage.
Julia fuhr nach Lewes zurück, immer noch verfolgt von ihrem Alptraum und dem schrecklichen Gefühl der Verlorenheit, der Hilflosigkeit im Angesicht des anrollenden Tsunamis. Alices Schicksal lastete nach wie vor schwer auf ihrem Gewissen. Das Verlangen, diese Last mit jemandem zu teilen, steigerte sich zu einem fast körperlichen Schmerz, doch der Einzige, der dafür in Frage gekommen wäre, war Craig. Und Craig war tabu.
In der Wohnung angekommen, warf sie einen Blick auf das Display des Telefons. Jemand hatte vor zwanzig Minuten angerufen, doch die Nummer war unterdrückt worden. Das verstärkte nur ihre Verzweiflung.
Sie aß eine Tafel Schokolade und sackte auf dem Sofa zusammen, wo sie eine Stunde lang das unsägliche Samstagvormittagsprogramm im Fernsehen über sich ergehen ließ. Das ist albern, dachte sie schließlich. Wenn sie den ganzen Tag nur tatenlos herumsäße, würde sie irgendwann verrückt werden.
Spontan beschloss sie, dass ein bisschen Bewegung ihr guttun würde. Sie kramte ihre Sporttasche hervor und packte ein Handtuch sowie einen Badeanzug ein. Er würde wahrscheinlich nicht besonders gut sitzen, nachdem sie so viel abgenommen hatte, und vielleicht würde man ein paar ihrer Narben sehen. Wollte sie wirklich, dass die Leute sie anstarrten?
Und dann dachte sie: Was soll‘s? Mittlerweile war ihr das alles egal. Sollten sie doch glotzen.
Sie war schon fast zur Tür hinaus, als das Telefon klingelte.
Als George sein Gespräch mit Kendrick beendete, kam er sich vor wie ein Verhungernder, der sich auf der Suche
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