Amok: Thriller (German Edition)
lief um sein Leben. In seinem Kopf heulten Sirenen, und er konnte nicht sagen, ob sie echt oder eingebildet waren. Das Herz hämmerte in seiner Brust, und seine Stiefelsohlen klatschten rhythmisch auf den Asphalt. Unter dem Helm dröhnte sein Atem ohrenbetäubend laut.
Niemand hat mich gesehen. Er klammerte sich an diese Hoffnung, wiederholte den Satz immer wieder, wie ein Mantra. Niemand außer der Frau im Baum natürlich. Und die war tot. Da war er sich ziemlich sicher.
Er bog um eine Kurve und erblickte das Motorrad, halb verdeckt von der dichten Hecke, die die Hurst Lane säumte. Er legte die restliche Strecke zurück wie ein olympischer Sprinter. Wie ein Held.
Dann kam er schlitternd zum Stehen und begriff, was für ein Idiot er gewesen war.
Er könnte ein Held sein. Der Mann, der einem Killer das Handwerk gelegt hatte. Eine halbe Sekunde lang sah er sich in dieser Rolle, gefeiert von der ganzen Nation, bekränzt und mit Orden behängt. Er sah sich im Fernsehen auftreten und als Ehrengast bei öffentlichen Veranstaltungen. Sah sich dem Volk zuwinken wie ein römischer Imperator.
Dann dachte er an die Ungereimtheiten. Was tat er eigentlich hier? Wie hatte er es geschafft, den Killer kampflos zu entwaffnen und zu überwältigen? Warum hatte er ihn aus nächster Nähe erschossen?
Es war eine Schnapsidee, die Ausgeburt eines von Panik gelähmten Hirns. Er konnte nicht klar denken. Und außerdem hatte er noch nie das Rampenlicht gesucht. Sein Platz war im Hintergrund.
Reiß dich zusammen, ermahnte er sich.
Das Motorrad war eine Kawasaki KDX 200, leicht und schnell, für den Straßenverkehr zugelassen, aber auch geeignet für holprige Feldwege und offenes Gelände. Er hatte sie vor zwei Monaten für achthundert Pfund in bar erworben, unter einem falschen Namen angemeldet und in einer Garage in einer Gegend untergestellt, wo niemand ihn kannte. Um diese Vorsichtsmaßnahme war er jetzt ganz besonders froh.
Er packte die Maschine am Lenker und stellte sie auf. Dann drehte er langsam den Kopf und spähte aufmerksam in alle Richtungen. Nichts rührte sich, kein Mensch weit und breit. Kein Vogelgezwitscher. Keine Motorengeräusche. Nur diese enorme, erdrückende Stille.
Und dann plötzlich das Heulen einer Sirene, nicht besonders nah, aber in der stillen Morgenluft weithin zu hören. Das Geräusch ließ den Schweiß auf seiner Haut erkalten, und er fröstelte. Er sah auf das Motorrad hinunter, und ihm wurde klar, was für ein Glück er gehabt hatte. Die Sirene hatte ihn vor einem weiteren Riesenklops bewahrt.
Die Polizei war im Dorf, weniger als eine halbe Meile entfernt. Wenn er die Maschine startete, würden sie es mit Sicherheit hören. Vielleicht würden sie sich nichts weiter dabei denken, aber vielleicht eben doch. Das Risiko durfte er nicht eingehen.
Er schob das Motorrad, so schnell er konnte, und trabte daneben her. An der Abzweigung zur Farm bog er ab, und die Kawasaki holperte über die festgefahrene Lehmpiste. Das Eis glitzerte wie Glas in den flachen Furchen. Seine Lunge brannte, brüllender Schmerz tobte in seinen Muskeln, doch er ignorierte alles und erlaubte sich ein kleines Fünkchen Hoffnung. Du kannst das immer noch schaffen. Du kannst immer noch damit durchkommen.
Das Farmhaus tauchte hinter einer Reihe von Buchen auf. Er schauderte. Hier hatte der ganze Schlamassel angefangen.
Er sah, dass die Haustür ein Stück offen stand. Er hatte gedacht, er hätte sie geschlossen, aber er konnte sich nicht genau erinnern. Als er vorbeiging, behielt er sie genau im Auge, rechnete halb damit, dass plötzlich irgendjemand herausgeschossen käme.
Hinter dem Haus machte der Weg einen Knick nach rechts und führte zwischen einer Scheune und einem großen Wellblechschuppen hindurch. Ab hier konnte er wohl bedenkenlos fahren. Die Gebäude und die Bäume würden das Geräusch dämpfen.
Er stieg auf, schob das Visier hoch und wischte sich das Gesicht trocken. Als er sich umsah, bemerkte er einen Lichtblitz am Himmel. Ein Hubschrauber, nicht mehr als ein Pünktchen vor dem Hintergrund der Downs. Aus seiner Perspektive sah es aus, als glitte der Helikopter über den Kamm der Hügelkette hinweg. Er flog auf das Dorf zu.
Einen Moment lang stand er wie angewurzelt da. Allmählich ging ihm die Ungeheuerlichkeit des Ereignisses auf. Es war nicht einfach nur Mord. Es war ein verdammtes Gemetzel.
Er stellte sich vor, wie der Alarmruf sich durch ein weitläufiges Netzwerk ausbreitete. Wie ein gewaltiges
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