Amok: Thriller (German Edition)
einfach zu, und schon ist alles vorbei. Du bist Decipio, nicht wahr? Du hast Carl ins Dorf geschickt?«
Vilner schüttelte den Kopf. Danach dauerte es eine Weile, bis das Zimmer wieder gerade stand.
»Sag‘s mir.« Toby zeigte ihm die Pistole in seiner Hand. Er zielte damit auf Vilners Brust und sagte: »Red mit mir, du Arschloch.«
Vilner strengte sich gewaltig an, nahm das letzte bisschen Kraft zusammen, das ihm verblieben war, und legte sie in drei kleine Worte.
» Lass sie gehen. «
Toby schüttelte den Kopf und beugte sich so weit herab, dass er ihn hätte umarmen können. »Falsche Antwort.«
Vilner spürte die Mündung an seiner Brust und wusste, dass es das Ende war. Er ignorierte Toby und sah stattdessen die Frau an. Ihre verweinten Augen fingen seinen Blick auf, und er lächelte, als er eine seltene Courage darin erkannte. Er betete, dass sie eine bessere Chance haben würde als er.
Nicht Louise , dachte er, als der Druck auf den Abzug den Lauf ein Stück näher an sein Herz rücken ließ. Julia.
69
Craig fuhr zuerst nach Lewes. Es war eine frustrierende Fahrt, zumal, als sich herausstellte, dass er den Umweg umsonst gemacht hatte. Von Julias Auto war weit und breit nichts zu sehen, und sie ging auch nicht die Tür. Einer ihrer Nachbarn ließ ihn schließlich ins Haus. Einige Minuten lang standen sie zusammen vor Julias Wohnungstür, klingelten und klopften und warteten.
Als er zu seinem Wagen zurückging, sann er über das nach, was er wusste. Er war inzwischen überzeugt, dass Sheila Naughton die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht hatte einer ihrer Konkurrenten Wind von der Story bekommen und Julia für seine eigenen Zwecke etwas vorgespielt, aber Craig glaubte nicht daran. Julia war von jemandem hinters Licht geführt worden, der weitaus finsterere Absichten hatte.
Wenn es der zweite Mörder war und wenn der Mörder Toby Harman war, dann besaß er genug Insiderinformationen, um seine Rolle überzeugend spielen zu können. Aus dem wenigen, was die anderen Reporter wussten, ging klar hervor, dass die Story streng unter Verschluss gehalten worden war. Wie also hatte er von Alice erfahren?
Inzwischen war es nach acht Uhr. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, doch der Wind wehte unvermindert heftig. Im Radio hatten sie gemeldet, dass auf einem exponierten Streckenabschnitt der A27 bei Lancing ein Lkw umgekippt sei, und im gesamten Südosten musste mit umgestürzten Bäumen gerechnet werden. Craig hatte den Wind gegen sich und musste das Gaspedal ganz durchtreten, um auf gerade einmal fünfzig oder sechzig Stundenkilometer zu kommen.
Er beschloss, nach Chilton zu fahren. Wenn er auch sonst nichts erreichte, könnte er es wenigstens im Haus ihrer Eltern versuchen. Traf er sie auch dort nicht an, dann blieb eigentlich nur eine Möglichkeit.
Auf der B2112 blockierte ein abgebrochener Ast die halbe Fahrbahn. Craig umkurvte ihn und musste plötzlich wieder an seinen Unfall am Mittwochabend denken. Gott sei Dank war er heute Abend nüchtern geblieben.
Er hielt vor dem Cottage, stieg aus und hämmerte mit den Fäusten an die Tür. Während er wartete, zerschellte ein paar Meter neben seinem Mietwagen ein Dachziegel auf dem Pflaster. Im Nachbarhaus bewegte sich ein Vorhang, und er erhaschte einen Blick auf ein bleiches Gesicht, das ihn anstarrte, als wäre er verrückt.
Vielleicht bin ich es ja, dachte er. Wer auch nur einen Funken Verstand hatte, blieb bei diesem Wetter in den eigenen vier Wänden. Er sprang wieder ins Auto und fuhr die High Street entlang. Aus der Dunkelheit kam etwas auf ihn zugeflogen und klatschte gegen die Windschutzscheibe – ein durchweichter Blumenstrauß. Die Blumenarrangements waren kreuz und quer über den Dorfplatz geweht worden, und der Teich war aufgewühlt wie ein stürmisches Mini-Meer. Nur die Eibe schien nichts erschüttern zu können; das bedächtige Wiegen ihrer mächtigen Äste strahlte eine Art würdevoller Ruhe aus.
Die Hurst Lane war mit Trümmerteilen übersät, aber Craig war es inzwischen egal, was mit dem Wagen passierte. Vor dem Eingang von Chilton Manor kam er schlitternd zum Stehen.
»Hier ist Craig Walker«, rief er in die Sprechanlage. »Lassen Sie mich rein!«
Keine Antwort, doch das Tor begann sich schleppend und ruckelnd zu öffnen. Sobald die Lücke groß genug war, trat er das Gaspedal durch und schoss die Auffahrt hinauf. Ein wenig beunruhigte es ihn, dass George ihn so bereitwillig eingelassen hatte.
Ein Bewegungsmelder schaltete
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