Amok: Thriller (German Edition)
Wucht; sie veränderte die Dynamik zwischen ihnen. Julia sah die Wahrheit in Tobys Augen, und das gab ihr Kraft.
»Aber Sie konnten ihn nicht aufhalten, weil er die Pistole hatte. Ich verstand damals nicht, was Sie meinten, aber Sie fragten ihn nach der Walther.« In die nächsten Worte legte sie so viel Verachtung, wie sie nur aufbringen konnte. »Diese Menschen mussten sterben, weil Carl durchgedreht ist und Sie einfach zu feige oder zu schwach waren, um ihn aufzuhalten?«
Er sprang verblüffend schnell auf und schlug ihr ins Gesicht. Mit der flachen Hand zwar, aber so fest, dass Julia mit dem Hinterkopf gegen die Wand knallte. Sie schrie auf und schmeckte Blut; ein Zahn hatte sich gelockert.
Er packte sie am Arm, zerrte sie hoch und schleppte sie in den Hausflur. Der Wind brüllte über ihnen, und aus der Ferne war ein Krachen zu hören, wie ein Hilferuf. Das ganze Haus erbebte, und einen Moment lang fragte sie sich, ob sie vielleicht nicht allein waren. Als sie sprach, konnte sie die Angst in ihrer Stimme nicht unterdrücken.
»Wohin gehen wir?«
»Nach oben«, fauchte er. »Ins Schlafzimmer.«
70
Craig wiederholte die Frage: »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
George, der sich schnell wieder gefasst hatte, entgegnete ebenso direkt: »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Wie können Sie es wagen, einfach hier hereinzuplatzen?«
»Julia ist verschwunden. Genau wie Abby Clark.«
»Wer zum Teufel ist Abby Clark?«
»Kommen Sie mir nicht so.«
George seufzte. »Lassen Sie uns doch wie erwachsene Menschen darüber reden, ja?«
Widerstrebend folgte Craig ihm in den Salon. Die Vorhänge waren noch nicht zugezogen, und im Schein der Außenbeleuchtung war ein glitzernder Regenschwall zu sehen, der fast horizontal fiel. Während Craig von Julias Nachricht erzählte und von seinen Versuchen, sie zu kontaktieren, schenkte George sich einen Cognac ein. Der Anblick löste in Craig ein quälendes Verlangen aus, doch als George ihm einen Drink anbot, schüttelte er nur den Kopf. Das Außenlicht erlosch, und schlagartig hörte der Tumult draußen auf zu existieren.
»Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe«, sagte George und ließ sich in einen Sessel sinken. »Sie glauben, dass Julia von jemandem, der sich als Journalist ausgab, zu einem Treffen gelockt wurde?«
»Von dem zweiten Täter, ja. Aber dazu muss er von Alice Jones gewusst haben.« Er hielt inne. »Sie haben doch einen Kontakt bei der Polizei, nicht wahr? DI Sullivan.«
George konnte seine Reaktion nicht mehr rechtzeitig unterdrücken – er zuckte zusammen.
»Ich interpretiere das als ein Ja. Er hat Ihnen eine Kopie des Berichts gegeben.«
»Na und?«, entgegnete George. »Der Bericht ist Ihnen auch zugespielt worden. Das macht uns beide nicht mitschuldig an dem Massaker.«
Ein plausibler Einwand, doch Craig zog es vor, ihn zu ignorieren. »Hat Sullivan Ihnen gesagt, was Alice Jones getan hat?«
George starrte missmutig in sein Glas, als fürchtete er, eine ehrliche Antwort würde ihn teuer zu stehen kommen. »Er hat mich heute Morgen angerufen.«
Vor meinem Treffen mit ihm oder danach? , fragte sich Craig. »Und wem haben Sie davon erzählt?«
George sah ihn scharf an. »Sie glauben wirklich, dass sie von dem anderen Täter entführt worden ist? Von Carls Komplizen?«
Craig nickte. »Ich bin froh, dass Sie die Existenz eines zweiten Täters einräumen.«
»Anfangs hielt ich die Idee für aberwitzig. Aber jetzt … Ich gestehe Ihnen zu, dass es eine Möglichkeit ist.«
»Und wenn das Massaker nicht nur ein Ventil für Carls Zorn war – was glauben Sie, was das wahre Motiv war?«
George schüttelte den Kopf, als sei er nicht bereit, über diesen Punkt hinauszudenken. Doch Craig ließ nicht locker. »Ihr Neffe – wo wohnt er?«
»Toby? Er hat ein Apartment in London. Wieso?«
»Er schuldet Vilner Geld?«
George schlug beschämt die Augen nieder. »Spielschulden. Auf diese Weise hat Vilner sich in unsere Geschäfte hineingedrängt.«
»Toby ist also darauf angewiesen, dass das Bauprojekt verwirklicht wird – mehr noch als Sie selbst?«
»Das haben wir doch alles schon einmal durchgekaut«, erwiderte George matt. »Es ist keineswegs ausgemacht, ob das Massaker für den Antrag eher förderlich oder hinderlich war. Und was noch wichtiger ist – ich glaube nicht, dass irgendjemand einen solchen Massenmord begehen würde, nur um den Weg für ein Wohnungsbauprojekt zu ebnen. Ganz bestimmt nicht mein Neffe.«
»Auch nicht,
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