Amok: Thriller (German Edition)
Antigua und ein Stadthaus in Knightsbridge, wenn ich mich nicht irre.«
Es klang, als wollte sie Craig Informationen entlocken, doch er biss nicht an. »Du weißt mehr über ihn als ich.«
Die Rufe aus der Menge wurden lauter, als der Polizist sich entfernte und der Jaguar mit einem Ruck anfuhr, um sich einen Weg durch die Fotografen zu bahnen. George Matheson blickte starr geradeaus, während seine Frau, die sich mit einer Sonnenbrille und einem Kopftuch getarnt hatte, die Hand vors Gesicht hielt. Der Wagen bog in den Chilton Way ein und beschleunigte.
»Für die Reichen gelten eben andere Regeln …«, bemerkte Abby, nur halb im Scherz.
»Da erzählst du mir nichts Neues«, entgegnete Craig.
13
In der Kunst, die Realität zu leugnen, hatte George Matheson es inzwischen zur Meisterschaft gebracht. Sein Leben ging nach und nach in die Brüche, und trotzdem funktionierte er irgendwie weiter. Tat weiter so, als ob das alles nicht passierte. Er starrte zur Windschutzscheibe hinaus und ließ seine ganze Welt auf das Stück Straße vor sich zusammenschrumpfen, doch selbst sein sorgfältig aufgebauter emotionaler Schutzwall konnte nicht verhindern, dass ihn beim Gedanken an das Ziel seiner Fahrt ein banges Gefühl beschlich.
Falls die Buhrufe und Pfiffe Vanessa beunruhigten, ließ sie sich nichts anmerken. Er konnte nicht einmal sagen, ob sie die Augen offen hatte. Während der Fahrt von London hierher hatte sie kaum ein Wort gesprochen, also schlief sie vielleicht. Von den Medikamenten war sie oft wie gerädert.
Den ersten Anblick des Dorfs würde er nie vergessen. Dieser sonst so ruhige und friedliche Ort hatte sich in etwas verwandelt, das einem Kriegsgebiet oder einem Flüchtlingslager nach einer Naturkatastrophe glich. Dutzende Polizeifahrzeuge und Krankenwagen, so schien es, parkten entlang der High Street. Wohin er auch schaute, überall sah er bewaffnete Polizisten, Ärzte und Sanitäter, Suchtrupps mit grimmigen Mienen und Kriminaltechniker in weißen Schutzanzügen.
Vor dem Dorfladen war eine weitere Straßensperre errichtet worden. George nannte seinen Namen und wartete, während der Beamte die Liste auf seinem Klemmbrett konsultierte. Dabei fiel George ein Mann auf, der etwas aus einem Lieferwagen lud: Leichensäcke aus extra festem Vinyl, zusammengefaltet und gestapelt auf der Dorfwiese.
»Sie werden schon im Gutshaus erwartet«, sagte der Polizist. »Fahren Sie vorsichtig.«
Als er wieder anfuhr, warf er einen Seitenblick auf Vanessa. Er hatte gehofft, dass sie schliefe und das alles nicht mitbekommen würde. Aber nein, sie starrte wie versteinert aus dem Fenster, eine Hand vor den Mund gehalten, wie um einen Entsetzensschrei zu unterdrücken. Er hätte sie gerne getröstet, doch er wusste nicht, was er sagen sollte.
Er fuhr langsam und bremste ab, um einen Krankenwagen an einem Lieferwagen der Royal Mail vorbeizulassen. Hinter dem Postauto war ein Zelt aufgeschlagen; George erhaschte einen Blick auf ein Männerbein und eine getrocknete Blutlache auf der Straße. In der Nähe stand ein Trupp von Notfallhelfern; sie tranken aus Styroporbechern und stampften mit den Füßen, um sich warm zu halten. Alle drehten die Köpfe und starrten, als der große Jaguar vorüberglitt, und etwas in ihren leeren, unbewegten Blicken schien einen Eindruck des Blutbads widerzuspiegeln, dessen Zeugen sie geworden waren. Er schauderte.
Die Hurst Lane bedeutete eine kurze Atempause. Einige Sekunden lang war es möglich, sich einzureden, dass dies alles nur ein furchtbarer Alptraum sei. Dann kamen sie zu der Weggabelung, und er nahm die rechte Abzweigung, während er sich jegliche Spekulationen zum Schicksal der Caplans strikt verbot. Er würde es früh genug erfahren.
Die Tore von Chilton Manor standen offen, vermutlich aufgebrochen von der Polizei. Er fuhr die breite gekieste Auffahrt entlang und sah einen schwarzen Vectra, der neben einem Streifenwagen parkte. DI Sullivan stand neben der Fahrertür. Er trug einen dicken blauen Parka von zeltartigen Dimensionen, dazu eine schmuddelige Jeans und Turnschuhe: Wochenendklamotten. Als der Kriminalbeamte sich umdrehte, suchte George in seinem Gesicht nach irgendeinem winzigen Signal der Zuversicht. Er fand keines.
Sie gaben sich die Hand. Die von Sullivan war eiskalt, und seine Nasenspitze war rot. »Wart ihr auf der Farm?«, fragte George.
Der Polizist nickte und wischte sich mit dem Ärmel die Nase. »Die Erwachsenen haben wir tot in der Küche
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