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Amok: Thriller (German Edition)

Amok: Thriller (German Edition)

Titel: Amok: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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sexuell missbraucht worden war, hatte in ihm Zweifel an seinen bisherigen Annahmen geweckt. Hier ging noch etwas anderes vor, und es machte ihn nervös.
    Vielleicht sollte er den Rückzug antreten. Ein komplettes Team anfordern und das Haus stürmen lassen. Aber wenn da wirklich nur ein kleines Mädchen war, das sich starr vor Angst in seinem Zimmer verkrochen hatte, würde man ihm ewig Vorhaltungen machen.
    »Ich bin Polizist«, rief er, etwas leiser als beim ersten Mal. »Ich heiße Chris. Sagst du mir deinen Namen?«
    Keine Antwort. Er seufzte. Schob sich vorsichtig einen Schritt vor.
    Da hörte er es. Ein leises, verängstigtes Wimmern. Er lächelte, dankte Gott, dass er keine Verstärkung gerufen hatte, und schritt auf das Zimmer am Ende des Flurs zu. Dort thronte auf der Frisierkommode eine große schwarze Katze und beäugte ihn mit abgrundtiefer Verachtung.
    »Haben Sie sie gefunden?«, fragte Sullivan.
    Davies ignorierte ihn, machte kehrt und öffnete die Tür, an der er gerade vorbeigegangen war. Ein Gästeschlafzimmer mit einem Einzelbett. Aber die Bettdecke war zerknüllt, auf dem Nachttisch lag ein Tom-Clancy-Thriller und auf dem Boden eine achtlos fallen gelassene Jeans.
    Daneben war das Bad, und das letzte Zimmer war das Schlafzimmer eines kleinen Mädchens. Die Wände waren hellviolett gestrichen, im gleichen Ton wie ein Lampenschirm mit Fransen. Poster von Girls Aloud und Take That zierten die Wände, und auf einem gläsernen Regal stand eine Reihe Jacqueline-Wilson-Bücher.
    Das Mädchen lag im Bett. Auf den ersten Blick hätte man meinen können, sie schliefe, die pinkfarbene Bettdecke bis unters Kinn gezogen, wie man es an einem kalten Morgen wie diesem nicht anders erwarten würde. Sie lag auf der Seite, und alles, was von ihr zu sehen war, waren ein Stück bleiche Wange und ihr langes braunes Haar. Nur das Kopfkissen, das teilweise auf ihrem Gesicht lag, verriet, dass nicht alles so war, wie es auf den ersten Blick schien.
    »Hier oben!«, rief er. Zum ersten Mal an diesem Tag spürte er, wie ihm die Tränen in die Augen zu steigen drohten. Er blinzelte rasch und wandte das Gesicht ab.
    Sullivan stürmte ins Zimmer, gefolgt von der Sanitäterin. Er warf einen kurzen Blick auf das Mädchen und berührte dann Davies‘Schulter. »Sind Sie okay?«
    »Klar.«
    Sullivan schnaubte unwillig, als könne er nicht verstehen, wieso Davies es für nötig hielt, sich zu verstellen. Da hörten sie den gedämpften Ausruf der Sanitäterin. Sie hatte die Decke zurückgeschlagen, und im ersten Moment nahm Davies an, dass sie auf irgendeine schreckliche Verstümmelung am Körper das Mädchens reagierte. Dann registrierte er die Ergriffenheit in ihrer Stimme.
    »Ich habe ihren Puls gefunden.«

12
     
    Als Nina endlich anrief, saß Craig in seinem Golf und fuhr auf der A23 in Richtung Süden, so schnell es der Verkehr an diesem Samstagvormittag zuließ. Es war fast elf, und er war der Antwort auf die Frage, ob sein Vater noch lebte, noch keinen Schritt näher gekommen.
    »Was ist los?«, fragte sie. »Ist mit den Kindern alles in Ordnung?« Sie klang irgendwie verändert. Ein wenig nervös, ein wenig besorgt, aber mit einem aggressiven Unterton in der Stimme.
    »Denen geht‘s gut«, antwortete er. »Wo bist du? Wieso bist du nicht an dein Handy gegangen?«
    »Ich hatte es ausgeschaltet. Das mache ich immer, wenn ich mich konzentrieren muss.«
    »Ich habe ewig versucht, dich zu erreichen. Der Typ von der Zentrale konnte dich nirgendwo finden.«
    »Die Zentrale ist samstags gar nicht besetzt.«
    »Na ja, irgendjemanden hatte ich jedenfalls am Apparat. Der sagte, du seist nicht an deinem Platz.«
    Ein langer, theatralischer Seufzer. »Das war vermutlich einer von den Jungs aus dem Erdgeschoss. Vielleicht hat er im falschen Büro gesucht. Oder vielleicht war ich gerade auf dem Klo.«
    »Ich musste die Kinder zu deiner Mutter bringen. Sie hat auch versucht, dich zu erreichen.«
    »Wieso? Was ist passiert?«
    Er unterdrückte den Impuls zu schreien: Wie kann es sein, dass du das nicht weißt? Stattdessen lachte er. Schon um zehn hatten sowohl BBC als auch ITV ihr normales Programm unterbrochen und berichteten seither live, und sämtliche Radiosender brachten in regelmäßigen Abständen das Neueste zur Situation in Chilton. Im Haus seiner Schwiegereltern hatte er zum ersten Mal das Wort »Massaker« im Zusammenhang mit dem Vorfall gehört.
    »Du weißt es wirklich nicht?«
    »Nein.« Ihre Stimme zitterte. »Was?«
    »Es

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