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Amok: Thriller (German Edition)

Amok: Thriller (German Edition)

Titel: Amok: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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Haus keine Eile habe. Julia und ihr Bruder waren die einzigen Erben, und es lasteten keine Hypotheken auf dem Anwesen. Aber sie waren sich beide einig, dass es nicht in Frage käme, das Haus zu behalten. Sie hatten selbst nie dort gewohnt, und jetzt würde das Haus für immer mit einer Tragödie verknüpft sein.
    Aufgrund simpler geographischer Überlegungen wurde entschieden, dass Julia es übernehmen würde, das Haus zu räumen und sich durch die Hinterlassenschaften von zwei Menschenleben zu arbeiten. Nachdem die Schule wieder begonnen und sie ein paar Wochen Alltag hinter sich hatte, nahm sie endlich all ihren Mut zusammen und beschloss, die Sache in Angriff zu nehmen.
    Ich kann es ja nicht ewig vor mir her schieben. Das hatte sie zu jemandem gesagt. In einem Laden. Einem altmodischen Dorfladen.
    Sie erinnerte sich an einen kalten, sonnigen Morgen. Raureif auf dem Rasen und den Dachziegeln. Es war ein Samstag gewesen, sehr früh am Morgen. Kein Mensch weit und breit.
    Es war in Chilton, wurde ihr bewusst. Was immer es war, es war in Chilton passiert.
     
    »Macht sie irgendwelche Fortschritte?«
    Sie erkannte die Stimme ihres Bruders. Neil war gekommen, er stand an ihrem Bett. Sie konnte sogar sein Aftershave riechen. Hugo Boss. Das schenkte sie ihm meistens zu Weihnachten.
    Ein Mann mit weichem indischem Akzent antwortete: »Sie ist zweifellos auf dem Weg der Besserung. Wir reduzieren schon die Beruhigungsmittel, sie dürfte also bald wieder ansprechbar sein.«
    Dann wieder ihr Bruder: ein abgrundtiefer Seufzer – Ausdruck purer Erleichterung. Sie war gerührt, aber es machte ihr auch Angst.
    »Sie hat großes Glück gehabt«, sagte der andere Mann. »Die Kugel hätte weit größeren Schaden anrichten können.«
    Sie hatte sich im Baum versteckt, aber er wusste, dass sie dort war. Ein Mann in schwarzer Motorradkluft.
    O Gott. Nein.
    »Es sind die seelischen Folgen, die mir Sorgen machen«, sagte ihr Bruder.
    »Das verstehe ich sehr gut, aber damit wollen wir uns zu gegebener Zeit auseinandersetzen. Im Moment sollten wir einfach dankbar sein, dass sie überlebt hat. Anders als so viele andere.«
    »Ich weiß.« Eine Hand ergriff die ihre, und sie wusste, dass es Neil war. »Sie ist eine echte Kämpferin, nicht wahr, Schwesterherz?«
    Das war an Julia gerichtet, und sie hätte so gerne geantwortet, hätte ihm so gerne versichert, dass er sich um sie keine Sorgen machen müsse, aber nichts funktionierte, weder ihr Mund noch ihr Kehlkopf, weder Arme noch Beine. Es war kein unangenehmes Gefühl, aber alles war blockiert, als ob ihr ganzer Körper in eine Art zähes Harz eingeschlossen wäre. Als Kind hatte sie sich beim Versteckspiel im Kleiderschrank ihrer Eltern verkrochen und sämtliche Wintermäntel über sich gehäuft, bis sie sich kaum mehr rühren konnte. Es war dieses warme, schützende Gewicht, das nun auf ihr lastete und gegen das sie nichts ausrichten konnte.
    So wenig wie gegen die Kugeln, die in den Baum schlugen.
    Sie spürte den Sog der anderen Welt und versuchte verzweifelt, sich dagegen zu stemmen, doch es war natürlich aussichtslos. Die Apparate zeichneten ihre Panik gehorsam auf, aber niemand kam ihr zu Hilfe.
    Diesmal wusste sie, wer auf sie wartete.

20
     
    Sullivan entschied sich für ein kleines Pub am Hang oberhalb des Bahnhofs. Brighton war nicht sein Revier, aber er wusste, dass dort immer etwas los war, und der Donnerstagabend zählte praktisch schon zum Wochenende. Er legte Wert darauf, dass sie ihre Ruhe hatten, und hatte deshalb einen Treffpunkt gewählt, wo ihnen höchstwahrscheinlich niemand Beachtung schenken würde.
    Das Pub war im Erdgeschoss eines viktorianischen Reihenhauses untergebracht; kaum größer als ein Wohnzimmer, mit zu vielen Tischen, die den Platz beiderseits der Theke verstopften. Um acht Uhr war noch nicht viel los: ein Grüppchen Studenten, die augenscheinlich vorhatten, demnächst zu aufregenderen Lokalitäten weiterzuziehen, und ein paar verspätete Pendler in Hemd und Krawatte, die an ihrem Bier nippten und den Argus lasen. Früher war Sullivan genauso gewesen – vollkommen geschafft nach einer anstrengenden Schicht, aber auch nicht scharf darauf, sich gleich auf den Heimweg zu seiner Alten zu machen. Aber die war längst aus seinem Leben verschwunden, und heute machte es für ihn keinen Unterschied, ob er ausging oder zu Hause blieb. So oder so trank er allein und machte, was er wollte.
    Heute Abend allerdings nicht. Er hatte sein Guinness schon halb

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