Amok: Thriller (German Edition)
ausgetrunken, als die Tür aufging und Craig Walker hereinkam. Er strahlte den gleichen Ingrimm, die gleiche finstere Ernsthaftigkeit aus wie bei ihrer letzten Begegnung. Das war mindestens vier oder fünf Jahre her, doch er wirkte kaum gealtert. Zu schade, dass ich das von mir selbst kaum behaupten kann, dachte Sullivan bedauernd.
Craig gab sich keine Mühe, seine Reaktion zu verbergen. »Sie sehen ja noch schlimmer aus als im Fernsehen.«
»Die müssen meine Schokoladenseite erwischt haben.«
»Was ist passiert? Waren Sie fünf Jahre in einer Bäckerei eingesperrt?«
»Tja, schön wär‘s. Das nennt man Älterwerden. Was kann man da machen?«
»Sport treiben vielleicht?«, konterte Craig. »Gesund essen? Weniger trinken?«
Sullivan hob sein Glas mit unfehlbarem Sinn für Timing. »Noch ein Guinness, danke. Und bringen Sie ein paar Erdnüsse mit.«
Craig funkelte ihn an, drehte sich aber ohne Widerrede zur Bar um. Was immer er von mir will, es muss ihm verdammt wichtig sein, dachte Sullivan.
Er überlegte noch, was es wohl sein könnte, als ihm eine Tüte trocken geröstete Erdnüsse in den Schoß fiel. Fluchend blickte er auf und sah, wie Craig das Bier auf den Tisch stellte und dabei die Hälfte verschüttete. Jetzt fielen Sullivan die zitternden Hände auf, die rot geränderten Augen. »Na, Sie sind mir ja der Richtige, anderen Leuten Gesundheitstipps zu geben.«
Craig lächelte nur. Es kostete ihn sichtlich Mühe, sein Glas festzuhalten und Sullivan damit zuzuprosten.
Sullivan kippte den Rest seines ersten Pints hinunter und leckte sich geräuschvoll die Lippen. »Also, erzählen Sie mal. Wie kommt‘s, dass Sie gar nicht mehr die Welt verbessern wollen? Wie ich höre, interviewen Sie jetzt irgendwelche Halbpromis und berichten von Sportereignissen, zu denen sonst kein Mensch gehen mag?«
»Ich wollte eben was anderes machen.« Er starrte Sullivan an. »Hatte es satt, mich ständig mit miesen Lügnern und Betrügern abgeben zu müssen.«
»Ich kenne das Gefühl. Deswegen tue ich, was ich kann, um die Typen hinter Schloss und Riegel zu bringen, wo sie hingehören.«
»Was ist mit Chief Inspector Kennedy? Ist der auch da gelandet, wo er hingehört?«
Sullivan gluckste in sich hinein. »Er hat ein sehr schönes Haus in Malaga.«
Craig lachte mit ihm, aber es klang Verbitterung durch. »Wie so viele, die Dreck am Stecken haben. Sie sehen ihn noch ab und zu, oder?«
»Ich war ein- oder zweimal da unten. Zu heiß für mich, aber er ist ein anderer Mensch geworden. Der Ruhestand sagt ihm wirklich zu.«
»Dann werden Sie ihm also nicht dorthin folgen?«
»Nee. Bournemouth liegt mir mehr.«
»Sie werden bald in der Kiste liegen, wenn Sie sich nicht am Riemen reißen.«
»Nett, dass Sie sich so um mich sorgen.« Sullivan griff nach seinem Guinness, schüttete ein Drittel in sich hinein und wischte sich den Schaum von den Lippen. »Kennedy ist Schnee von gestern. Und ich hatte keine Ahnung, dass er korrupt war.«
Er zerrte ungestüm an der Erdnusstüte, bis sie aufriss und ein halbes Dutzend Nüsse über den Tisch kullerten. Dann legte er den Kopf in den Nacken und kippte sich den Inhalt der Tüte in den Mund. Ein Teil von ihm genoss Craigs angewiderte Reaktion.
»Sie haben ihn gedeckt. Und ich bin drauf reingefallen.«
Sullivan kaute und schluckte, versprühte aber trotzdem noch ein paar Krümel, als er antwortete. »Ich war ein mieser kleiner DS. Ich hab nichts weiter getan, als ihm einen Vertrauensvorschuss zu geben, und ich habe Sie gebeten, das Gleiche zu tun. Punkt, aus. Und jetzt sagen Sie mir, was Sie wollen, oder verpissen Sie sich.«
Craig lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, offensichtlich zufrieden mit der Reaktion, die er provoziert hatte. »Ich habe gehört, dass Sie an der Chilton-Ermittlung beteiligt sind.«
Sullivan nickte. Er beschloss, dass es an der Zeit war, ein bisschen Dampf rauszunehmen, und sagte: »Das mit Ihrem alten Herrn tut mir leid.«
Er wartete, während Craig die Aufrichtigkeit seiner Bemerkung abzuschätzen versuchte, und fragte sich, ob Craig von seiner Verbindung zu George Matheson wusste.
»Ich will wissen, was passiert ist«, sagte Craig.
»Carl Forester ist Amok gelaufen.«
»Das war wirklich alles?«
Sullivan antwortete nicht. Er dachte an die Szene im Farmhaus. Die Frau vergewaltigt. Den sterbenden Ehemann zum Zuschauen gezwungen.
»Was denken Sie denn, was es war?«, fragte er.
»Ich glaube, dass es eine Verbindung zu George Matheson gibt. Sie
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