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Amok: Thriller (German Edition)

Amok: Thriller (German Edition)

Titel: Amok: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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nichts Menschliches mehr zu haben, als wäre er ihren Alpträumen entsprungen. Nach und nach dämmerte ihr, dass er von ihr selbst kam. Und dann begriff sie, dass die Bestürzung in den Gesichtern um sie herum nur ihre eigene Panik spiegelte.
    Sie gaben ihr ein Beruhigungsmittel. Allmählich ebbte das Geräusch ab, und sie hatte das Gefühl, in warmem Sand zu versinken. Sie erinnerte sich, dass sie mit der Polizei sprechen wollte, ihre Version der Ereignisse zu Protokoll geben, aber das war nicht mehr wichtig. Nichts war mehr wichtig.

23
     
    Am Freitagmorgen wurde das Haus von mehreren Reportern belagert. Es war nicht das erste Mal in dieser Woche, aber heute war es Craig einfach zu viel, sich ihren Fragen zu stellen. Den ganzen Vormittag lang ignorierte er die Türklingel und legte den Hörer neben das Telefon. So kam es, dass er erst erfuhr, warum sie da waren, als Nina vom Einkaufen in Crawley zurückkam.
    Er war in der Küche, nippte an seinem Kaffee und grübelte über das Treffen mit DI Sullivan am Abend zuvor nach. Als er den Inspector in den Fernsehnachrichten erkannt hatte, war ihm der Gedanke gekommen, dass er ja vielleicht einen Gefallen einfordern könnte. Jetzt allerdings war er sich nicht mehr so sicher, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war. Die Enthüllung, dass auf seinen Vater zweimal geschossen worden war, war ein furchtbarer Schlag gewesen, und er war noch nicht so weit, dass er mit irgendjemandem darüber sprechen wollte.
    Nina kam herein und hielt ihm eine aufgeschlagene Zeitung hin, die sie vor ihm auf den Tisch legte. »Das ist doch deine Freundin, oder nicht?«
    Er warf einen Blick auf die Verfasserzeile und sah Abbys Namen. »Doch, ja.«
    »Das solltest du vielleicht mal lesen«, sagte Nina. Dann machte sie kehrt und verließ die Küche.
    So war es die ganze Woche gewesen – eine Art prekärer Waffenstillstand. Als sie am Samstagabend sehr spät nach Hause gekommen war, hatte sie Craig schlafend auf der Couch gefunden, vor sich auf dem Boden den Pizzakarton und die leere Whiskyflasche. Sie hatte ihn geweckt, und er war die Treppe hinaufgewankt, hatte sich aufs Gästebett fallen lassen und weitergeschlafen.
    Am nächsten Morgen brachte sie ihm Kaffee und fragte, ob er reden wolle. Er berichtete ihr in knappen Worten, was er wusste, und erwähnte dabei auch, dass er Abby gesehen hatte. Dass sie ihn besucht und die Pizza mit ihm geteilt hatte, verschwieg er – vielleicht, weil er sich seine moralische Überlegenheit nicht nehmen lassen wollte.
    Nina wollte unbedingt alles erklären, aber er konnte sich das nicht anhören. Er fürchtete, dass er die Beherrschung verlieren würde. Stattdessen verließ er das Haus und blieb den ganzen Tag weg, ließ sich von Kneipe zu Kneipe treiben und kippte einsam seine Drinks. Irgendwann schlief er trotz der Januarkälte auf einer Parkbank ein, wie ein Stadtstreicher. Er dachte ernsthaft darüber nach, gar nicht mehr nach Hause zurückzugehen, und ihm wurde klar, was für ein verblüffend einfacher Prozess es war – wie ein einziges tragisches Ereignis einen Menschen völlig aus der Bahn werfen konnte. Als er verkatert und völlig durchgefroren erwachte, hatte er plötzlich eine Vision von sich selbst in fünf Jahren. Er sah sich in irgendeinem Einkaufszentrum vor sich hin grummeln, mit irrem Blick und so heruntergekommen, dass nicht einmal seine eigenen Kinder ihn erkannt hätten.
    Also ging er nach Hause und beschloss, künftig die Finger vom Alkohol zu lassen. Die Kinder waren anfangs begeistert, ihn zu sehen, doch bald spürten sie die eigenartige Atmosphäre, die im Haus herrschte. Solche Spannungen waren ihnen neu, und die gespielte gute Laune, die er und Nina in ihrer Gegenwart an den Tag legten, konnte sie keinen Augenblick lang täuschen.
    Maddie bekam inzwischen bei jeder klitzekleinen Enttäuschung einen Wutanfall und weigerte sich, zur Schule zu gehen. Tom begann ins Bett zu machen. Und Craigs Abstinenz währte nur bis zum Montagnachmittag, als er nach Brighton ins Leichenschauhaus gefahren wurde, um seinen Vater zu identifizieren. Seither brachte er es fertig, einen gewissen Alkoholpegel nicht mehr zu unterschreiten. Der mäßige Dauerrausch machte es für ihn erträglicher, das Haus mit Nina zu teilen, belastete aber zugleich ihre Beziehung noch mehr.
    Er blieb noch einen Moment sitzen und wartete, bis er Ninas Schritte auf der Treppe hörte, ehe er den Artikel las. Es war ein langer, nachdenklicher Essay, ein Genre, das Abby

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