Amok: Thriller (German Edition)
meisterlich beherrschte. Sie traf genau den richtigen Ton, denn sie hatte erkannt, dass das Entsetzen über das Geschehene zwar noch frisch war, die Wunden aber schon zu verheilen begonnen hatten. Der erste Schorf hatte sich gebildet, und Abby begann jetzt, vorsichtig daran zu kratzen. Sie sagte ein paar nette Dinge über seinen Vater, hob sich aber den heikelsten Punkt bis zum Schluss auf:
Zum jetzigen Zeitpunkt besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Massaker für George Mathesons Pläne, in Chilton ein großes Wohnungsbauprojekt zu verwirklichen, das Ende bedeutet. Aber andere sind sich da nicht so sicher. »Vielleicht hat er ja jetzt endlich freie Bahn«, sagt Craig Walker, der Sohn des ermordeten Aktivisten Philip Walker. »Ist ja schließlich niemand mehr da, der sich ihm in den Weg stellen könnte, oder?«
»Ach, Abby«, seufzte er. Er versuchte, sich den Samstagabend noch einmal in Erinnerung zu rufen, und kam zu dem Schluss, dass sie ihn ziemlich genau zitiert hatte, wenn nicht sogar wortwörtlich.
Vielleicht, dachte er mit Verbitterung, hatte sie das ganze Gespräch ja aufgezeichnet.
Erst am Freitagnachmittag nahm Kendrick sich gnädigerweise Zeit für George Matheson. Aus irgendeinem Grund schlug er vor, dass sie sich in Brighton treffen sollten, und zwar auf dem Dach des Parkhauses in der Marina. George hatte Verständnis für das Bedürfnis des Mannes nach Anonymität, aber er hätte sich zweifellos einen geeigneteren Treffpunkt aussuchen können.
Kendricks Jeep Grand Cherokee parkte am hinteren Ende der Dachterrasse, weit weg von den Rampen. Hier oben stand nur eine Handvoll andere Autos, und weit und breit war kein Mensch zu sehen. George stellte seinen Jaguar ab und stieg aus. Fröstelnd knöpfte er seinen Mantel zu.
Es war ein trister Tag; tiefe Wolken hingen an den Berghängen hinter der Stadt und ließen den Horizont auf eine oder zwei Meilen heranrücken. Möwen kreisten und trieben im böigen Wind dahin, und das graugrüne Wasser brodelte wie ein lebendiges Wesen.
Als George auf den Jeep zuging, wurde die Beifahrertür geöffnet, und Kendrick stieg aus. Es saßen noch zwei andere Männer im Wagen, doch sie blieben, wo sie waren.
George streckte die Hand aus. Kendrick hielt sie ein paar Sekunden länger als nötig gepackt, wobei er George tief in die Augen blickte. George musste sich sehr beherrschen, um nicht zurückzuweichen und seine Hand loszureißen. Es war erst seine dritte persönliche Begegnung mit Kendrick, und er wusste immer noch nicht recht, wie er den Mann einschätzen sollte.
»Ich hatte geschäftlich hier unten zu tun. Ich hoffe, es ist Ihnen recht so.«
»Ich fühle mich geehrt«, erwiderte George trocken. »Ich habe mich allerdings schon gefragt, ob ich statt Ihrer Vilner antreffen würde.«
Kendrick lächelte, als ob der kleine Scherz ihn amüsierte, doch seine Augen sprachen eine andere Sprache. »Wir sind vielbeschäftigte Leute. Manchmal müssen wir delegieren.«
»Es ist die Frage, an wen wir delegieren, die mich beunruhigt.«
»Vilner ist ein bisschen raubeinig, aber Sie können nicht bestreiten, dass er nützlich ist.«
George knurrte. »Es gefällt mir nicht, wie er sich zu Ihrem Abgesandten entwickelt hat. Es war gewiss nicht meine Idee, ihn in meine Organisation einzubinden.«
»Nein. Wieder mal etwas, was Toby verbockt hat?«
George verzichtete auf eine Erwiderung. Er wandte sich ab und starrte zum Brighton Pier hinüber, dessen Umrisse sich geisterhaft im Halbdunkel abzeichneten. Die bunten Lichterketten spiegelten sich verschwommen im Wasser. Kendrick stellte sich zu ihm, die Hände in den Hosentaschen. Die Lockerheit in Person.
»Ich war früher schon einmal zu Besuch in England, da war ich zehn. Ich konnte nicht begreifen, wie Menschen in einem so kalten und grauen Land leben konnten.«
»Schwer zu glauben, dass es eins der beliebtesten Reiseziele ist, nicht wahr?«
»Oh, es hat schon einen gewissen Charme. Und Trinidad ist ja hauptsächlich auf Industrie ausgerichtet. Die anderen Inseln haben zum Teil viel bessere Strände.«
George nickte. »Ich habe eine Villa auf Antigua. Aber in letzter Zeit komme ich da eher selten hin.«
»Vielleicht wird sich das bald ändern, hm?«
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Was am Samstag passiert ist, ändert vieles. Ab sofort wird alles sehr viel genauer geprüft werden.«
George schwieg. Er hatte genug Erfahrung mit derlei Einleitungsgeplänkeln, um zu wissen, was kommen würde.
»Das muss
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