Amok: Thriller (German Edition)
wohl verdiente. Diese Idee allein war ein paar Millionen wert. Aber George schien anderer Ansicht zu sein. Er starrte Toby an, als hätte der gerade vorgeschlagen, das ganze Dorf auf den Neptun zu verlegen.
»Aber warum denn nicht?« Toby beharrte auf seinem Standpunkt. »Du hast doch selbst gesagt, dass das ein Geisterdorf ist. Wir brauchen nur die richtige PR, um die Message rüberzubringen.«
»Und was ist mit den denkmalgeschützten Gebäuden? Was ist mit der Kirche aus dem 12. Jahrhundert?«
Toby machte eine wegwerfende Geste. »Von solchen Beschränkungen hast du dich doch in der Vergangenheit auch nicht aufhalten lassen. Was wir deutlich machen müssen, ist die Tatsache, dass eine Neubausiedlung zum Besten aller Beteiligten wäre.«
»Meinst du nicht, dass der eine oder andere Anstoß an einem Profit von fünfunddreißig Millionen Pfund nehmen könnte? An der Tatsache, dass unser Bestes zufällig um einiges lukrativer ist als das aller anderen?«
Toby zuckte mit den Achseln. »Wenn du dir Sorgen um die öffentliche Meinung machst, wieso versuchst du dann, das Dorf aufzukaufen?«
»Um den Opfern zu helfen. Ich weiß, es wird falsch interpretiert werden, aber das ist ein Risiko, das ich gerne eingehe. Wir müssen nur Geduld haben, sonst wird es so aussehen, als hätte Carl Forester uns einen Riesengefallen getan.«
Die Erwähnung Foresters schien das Licht im Raum schlagartig zu dämpfen. Schon jetzt stand der Name für mehr als nur den Mann selbst. Er war der Inbegriff für eine Tragödie. Ein Medienereignis.
»Na ja, das hat er ja vielleicht wirklich«, sagte Toby vorsichtig. »Ist es denn so schrecklich, das zuzugeben?«
George schwieg. Er zog eine Schublade in seinem Schreibtisch auf und nahm eine Aktenmappe heraus, die er Toby hinwarf. Dann starrte er ihn finster an.
»Das solltest du vielleicht mal lesen«, sagte er.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Julia.
»Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, ihn aus seinem Versteck aufzuscheuchen.« Craig beließ es bei dieser Erklärung und stellte seinerseits eine Frage: »Wissen Sie von Mathesons Bauantrag?«
»Es war ja kaum möglich, nichts davon mitzubekommen, dank Ihrem Vater. Man hatte das Gefühl, dass jede Woche etwas darüber im Argus stand.«
»Tja. Vater konnte ein ziemlich unangenehmer alter Knabe sein, besonders wenn er sich so richtig in eine Sache verbissen hatte.«
»Sie haben also seine Meinung nicht geteilt?«
»Ich war hin- und hergerissen. Ich bezweifle, dass es ihn oder seine Mitstreiter interessiert hätte, wenn das Ganze in irgendeinem anderen Dorf passiert wäre. Aber trotz ihrer Kirchturmpolitik hatten sie im Grunde recht mit ihren Argumenten. Es ist ein wunderbarer Ort. Man darf nicht zulassen, dass so ein Matheson daherkommt, alles rundherum mit Neubausiedlungen zupflastert und dafür zwanzig oder dreißig Millionen Pfund einstreicht.«
Julia stockte der Atem. »Sie machen wohl Witze?«
»Mindestens so viel. Er besitzt Hunderte von Hektar Land um das Dorf herum, und wenn nur ein kleiner Teil davon erschlossen wird, verdient er sich eine goldene Nase. Und wenn er es von seiner eigenen Baufirma machen lässt, profitiert er gleich doppelt.«
»Das ist schockierend. Mir war nicht klar, dass es um so viel Geld geht.«
»Das ist noch eine konservative Schätzung, unter Berücksichtigung des konjunkturellen Abschwungs. Tatsache ist, dass wir über Jahre einen ausgeprägten Mangel an Wohnraum im wohlhabendsten Teil des Landes hatten. Für Grundbesitzer und Bauunternehmer steht inzwischen so viel auf dem Spiel, dass alle möglichen Formen von Korruption zu einer Verlockung werden. Also fängt man vielleicht damit an, dass man hier und da einen Bericht fälscht. Man übt Druck auf Kommunalpolitiker aus, arbeitet mit Schmiergeldern und Beeinflussung. Aber wenn die Bestechung nichts fruchtet – dann muss man es vielleicht mit Drohungen versuchen?« Er hielt inne und starrte in seinen Kaffee. Es schien, als müsse er sich zwingen, die Ruhe zu bewahren.
Dann blickte er zu Julia auf. »Wenn man einmal auf diese Bahn geraten ist, wo hört man auf? Wir leben in einer Welt, in der Menschen bereit sind, einen anderen wegen des Kleingelds in seiner Tasche zu töten. Was glauben Sie, wozu jemand für zwanzig Millionen fähig wäre?«
Es war eine eigenartige Erfahrung, über eine so verheerende Gewalttat zu lesen, geschildert in so nüchternen Worten. Toby hätte den Bericht viel lieber allein studiert, ohne dass ihm sein Onkel
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