Amok: Thriller (German Edition)
aufgegeben. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass unsere Position ziemlich aussichtslos ist. Wir können nicht beweisen, dass die Polizei sich irrt. Wir können nicht beweisen, dass der zweite Täter existiert.«
Craig schien ihr verständnisvoll zuzuhören, doch in seinen Augen blitzte es verschwörerisch.
»Vielleicht können wir es ja doch.«
34
Die beiden Männer stiegen die Treppe hinauf und gingen zu Georges Büro. Ihre Schritte hallten auf dem glänzenden Eichenparkett, und das Geräusch schien die leblose, seelenlose Atmosphäre des weitläufigen alten Hauses noch zu verstärken. Als sie vor der Tür standen, glaubte Toby ganz leise klassische Musik zu vernehmen, die vom Ende des Flurs kam.
»Ist Vanessa hier?«
»In London«, antwortete George.
Toby erwiderte nichts. Er wusste schon gar nicht mehr, wie lange es her war, dass er seine Tante zuletzt gesehen hatte; sein Bedauern darüber hielt sich jedoch in Grenzen. Er war der uneheliche Sohn von Vanessas jüngerer Schwester, einer Aussteigerin, die sich mit Drogen um den Verstand gebracht hatte und gestorben war, als Toby siebzehn war; so hatte ihm immer der Makel des Scheiterns und der Schande angehaftet. Von einer bemerkenswerten Ausnahme abgesehen, hatte Vanessa ihn immer entschieden auf Distanz gehalten.
Das Büro war ein großes Zimmer mit Fenstern auf zwei Seiten und raumhohen Regalen an den beiden anderen Wänden. Georges Schreibtisch – wie der dazugehörige Stuhl aus dem Holz eines exotischen Gartenpavillons gefertigt, der früher im Park des Gutshauses gestanden hatte – dominierte das eine Ende des Raums. George nahm seinen Platz mit der selbstgefälligen Zufriedenheit eines Monarchen ein, der sich auf seinem Thron niederlässt.
Toby steuerte sofort die Jura-Kaffeemaschine an und machte sich einen Espresso mit drei Stück Zucker. Er beschloss, dass er George nicht wie ein glückloser Bewerber beim Vorstellungsgespräch gegenübersitzen wollte, und ließ sich stattdessen auf eines der Ledersofas am anderen Ende des Zimmers sinken. Überrascht stellte er fest, dass George sich einen Sherry eingeschenkt hatte. Normalerweise trank der Alte tagsüber keinen Alkohol.
»Hast du von deinem Freund Vilner gehört?«, begann George. Seine Stimme klang, als schulterte er eine gewaltige Last.
»Ist schon eine Weile her. Wieso?«
»Nur so. Wie sieht‘s mit der Begleichung deiner Schulden aus? Irgendwelche Fortschritte?«
»Hör zu, ich bin wirklich fest entschlossen, meine Finanzen in Ordnung zu bringen.« Toby deutete mit verdrießlicher Miene auf die hohen Schiebefenster und das Land, das sich dahinter erstreckte. »Wenn das hier schon geklärt wäre, könnte ich alles von heute auf morgen regeln.«
»Was meinst du?«
»Die Pläne für das Dorf. Wir waren uns doch einig, dass ich als Teilhaber einsteigen würde.«
George schien verwundert. »Finanziert durch …?«
»Na ja, finanziert werden müsste es über das Darlehen von letztem Jahr.«
»Das du längst für Gott weiß was verplempert hast.«
»Doch nur, weil das Projekt auf Eis gelegt wurde. Ich muss ja schließlich von irgendwas leben.«
»Du bekommst achtzigtausend im Jahr für deine Vorstandsposten«, erinnerte George ihn. »Für die du – seien wir doch mal ehrlich – keinen Finger krumm machst.«
»Das ist nicht wahr. Gib mir diesmal eine Beteiligung, die sich sehen lassen kann, und ich werd‘mir den Arsch aufreißen.«
»Das hab ich alles schon mal gehört. So oder so, es könnte noch Jahre dauern, falls überhaupt je etwas daraus wird.«
Toby runzelte die Stirn. George war doch sonst nicht so pessimistisch. »Hast du immer noch vor, die leerstehenden Häuser aufzukaufen?«
»Ich habe den Nachlassverwaltern Angebote unterbreitet«, korrigierte George ihn. »Einige der Überlebenden haben sich noch nicht entschieden, ob sie bleiben oder verkaufen wollen, aber ich habe deutlich gemacht, dass ich einen zügigen Barkauf arrangieren werde, wenn es das ist, was sie wollen.« Er sah Tobys Gesichtsausdruck und schien gekränkt. »Es ist das Mindeste, was ich tun kann, um zu helfen. Anders wären diese Immobilien so gut wie unverkäuflich.«
»Genau. Niemand wird jetzt noch in Chilton wohnen wollen. Also, warum nicht noch eins draufsetzen? Das ganze Dorf kaufen und alles abreißen. Ein nettes Mahnmal hinpflanzen und nebenan eine nagelneue Stadt hochziehen.«
Er lehnte sich befriedigt zurück, hatte er George doch gerade bewiesen, dass er seine Vorstandsposten sehr
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