Amok: Thriller (German Edition)
gesagt. Oder?«
Jacques wirkte ein wenig geknickt. »Kann nie schaden nachzufragen.«
Als Julia am Mittwochmorgen erwachte, galt ihr erster Gedanke dem Alptraum. Es war der erste, in dem sie die Angreiferin und nicht das Opfer gewesen war, doch das war ihr nur ein sehr schwacher Trost.
Es war auch der erste Traum, in dem sie das Visier des Mörders hochgeschoben hatte. Sie erinnerte sich mit großer Klarheit an das überwältigende Gefühl, das den Anblick seines Gesichts begleitet hatte, doch so sehr sie sich auch mühte, es wollte ihr nicht gelingen, dieses Bild aus ihrem Gedächtnis zu rekonstruieren. Es war zum Verrücktwerden, und es machte ihr Angst. Und es führte sie direkt zum nächsten Gedanken.
Sie war im Begriff, den Tag mit einem Mann zu verbringen, den sie kaum kannte, und sie hatten vor, George Matheson einen Besuch abzustatten. Und das bedeutete, wie ihr mit Schrecken klar wurde, mit ziemlicher Sicherheit eine Rückkehr nach Chilton. Allein der Gedanke, durch das Dorf fahren zu müssen, ließ ihre Nerven vor Panik flattern.
Du musst dich dem irgendwann stellen, sagte sie sich. Und du musst wieder anfangen, anderen Menschen zu vertrauen.
Aber nicht heute , meldete sich eine ängstliche Stimme. Kate hat recht. Du weißt nichts über seine Motive. Du könntest ihm sagen, dass es noch zu früh ist. Dass du körperlich noch nicht fit genug bist.
Die streitenden Stimmen verstummten nicht, während sie duschte, sich anzog und zum Frühstück nach unten ging. Dass Craig ihr nichts von seiner investigativen Tätigkeit erzählt hatte, musste noch nicht zwangsläufig bedeuten, dass er sie vor ihr verbergen wollte. Auf der anderen Seite hatte sie eine Menge aufgestaute Wut bei ihm gespürt. Er hatte zwar behauptet, kein »Selbstjustizler« zu sein, aber sie konnte nicht ausschließen, dass es ihm in Wirklichkeit darum ging, jemanden für den Tod seines Vaters zur Rechenschaft zu ziehen.
Es sei denn …
Die plötzliche Erkenntnis, was der Grund für seine Feindseligkeit ihr gegenüber sein könnte, war fast so schockierend wie der Traum von letzter Nacht. Sie hätte es gleich sehen müssen. Die Frage war jetzt nur noch: Sollte sie ihn zur Rede stellen, oder sollte sie versuchen, es zu ignorieren?
Sie setzte sich an ihren Tisch im Frühstücksraum und dachte an das gestrige Gespräch zurück. Eines schien ihr zweifelsfrei festzustehen: Früher oder später würde ein Journalist den Polizeibericht lesen und Hinweise auf eine Verschwörung wittern. Wenn das passierte, wären die Konsequenzen unabsehbar.
Kate kam in den Frühstücksraum. Mit ihrem Teebecher, den sie mit beiden Händen umfasst hielt, setzte sie sich auf die Kante des Stuhls gegenüber von Julia und sah sie mit einem zerknirschten Lächeln an. »Tut mir leid, wenn ich gestern Abend ein bisschen heftig zu Ihnen war.«
»Das ist schon in Ordnung. Ich weiß ja, dass Sie nur mein Bestes wollen.«
»Werden Sie heute mit ihm fahren?«
»Ich glaube, ich muss es tun.«
»Und ich kann Sie nicht dazu überreden, es sein zu lassen?«
»Tut mir leid. Nein.«
Kate nickte bedächtig, als hätte sie die Antwort schon geahnt. In der Küche rief jemand ihren Namen, worauf sie noch rasch einen Schluck Tee trank und dann aufstand.
»Seien Sie bloß vorsichtig, ja?«
Kurz vor neun war Julia in der Eingangshalle. Sie bekam einen Schrecken, als sie einen Streifenwagen vor der Tür stehen sah, doch dann stellte sich heraus, dass die Polizisten gekommen waren, um die Frau abzuholen, die als Zeugin vor Gericht erscheinen sollte.
Ein paar Minuten darauf bog Craigs Golf in den Parkplatz ein. Als Julia vor die Tür trat, merkte sie, wie gut es ihr tat, aktiv zu sein. Es war ein bisschen beängstigend, aber auch aufregend, wie der erste Tag in einem neuen Job. Das Wetter war prächtig für Mitte Februar, beinahe frühlingshaft, mit einem strahlend blauen Himmel und einer leichten Brise.
Mit entschlossenen Schritten ging sie auf seinen Wagen zu. Ihr Gang war beinahe wieder normal, und sie hatte beschlossen, heute ganz auf den Stock zu verzichten. Es hatte nichts mit Eitelkeit zu tun, sagte sie sich. Sondern mit Unabhängigkeit.
Craig wirkte erleichtert, als sie die Beifahrertür öffnete und einstieg. »Sind Sie auch ganz sicher, dass Sie sich das zutrauen?«
Sie nickte. Dann fiel ihr auf, wie müde er aussah. »Schlecht geschlafen?«
»Nicht allzu toll.«
»Sie haben wohl schon eine lange Fahrt hinter sich, oder?«, fragte sie. In diesem Moment fiel
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