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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Flachdach drastisch verändert. Von den Polizisten war nichts mehr zu sehen. Stattdessen blockierte eine undefinierbare Masse die Stahltür am anderen Ende, den einzigen Zugang zum Dach.
    Leoni presste eine Handfläche an die Scheibe, als wolle sie überprüfen, ob das Fenster eine ausreichende Barriere zwischen ihr und der Außenwelt darstellte. Die Masse quoll aus der Tür auf das Dach hinaus. Im gleichen Moment fühlte Leoni einen seltsamen Druck auf den Ohren. Die Geräusche um sie herum nahmen einen dumpfen Charakter an, vergleichbar mit dem Klang der Musik, wenn man in der Disco auf die Toilette geht. Om-nipräsent, aber von ferne.
    Die Körpermasse nahm Konturen an. Zwei Köpfe, vier Arme, vier Beine und zwei Oberkörper. Eine Frau und direkt dahinter ein Mann. Jan! Unverkennbar. Mit jedem Schritt, den das unheimliche Paar auf den Hubschrauber zuging, erhöhte sich der Druck auf Leonis Ohren. Zudem kribbelte es in ihren Oberschenkeln, auf denen Maja saß, doch das bemerkte sie schon gar nicht mehr. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt jetzt dem Mann, mit dem sie noch vor wenigen Monaten den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Und der jetzt auf groteske Art und Weise wie ein siamesischer Zwilling an einer Fremden hing. Das musste Ira Samin sein. Steuer hatte ihr ein Foto von der Verhandlungsführerin auf ihr Handy geschickt. Damit sie die attraktive Frau mit den schwarzen, glatten Haaren und den hohen Wangenknochen erkannte, wenn sie vor ihr stand. Auf dem Foto trug Ira allerdings Kleidung, die ihrem schlanken Körperbau weitaus mehr schmeichelte. Jetzt hatte sie die Jeans und das eng anliegende T-Shirt durch einen Pullover in Übergröße ersetzt, und wenn Leoni sich nicht täuschte, schob Jan sie barfuß vor sich her. Leoni blinzelte. Einmal. Noch mal. Hält er ihr wirklich eine Pistole an den Kopf?
    Mit einem Mal huschte im Hintergrund ein Schatten vorbei. Ein Mitglied des Sondereinsatzkommandos, ausgestattet wie ein Soldat, lief mit gezogener Waffe und einem Megaphon in der Hand vom Eingang weg und versteckte sich kurz darauf hinter einer Satellitenschüssel. Was geht da vor sich?
    Leoni schaute wieder zu Jan. Zwischen dem Hubschrauber und dem schwankenden Duo lagen nur noch wenige Meter. Jetzt konnte sie schon die Konturen seines Gesichtes ausmachen. Seine geschwungenen Augenbrauen, die vollen Lippen, die sie oft geküsst hatte, während er schon schlief. Im Augenblick bewegten sie sich. Er telefonierte und hielt sich ein Handy ans linke Ohr. Sie hatten ihr erzählt, sie bräuchte keine Angst zu haben. Dass er nicht abgrundtief böse, sondern nur verzweifelt wäre. Dass er alles aus Liebe getan hätte mit einem einzigen Ziel: sie wiederzusehen.
    Leoni genügte nur ein einziger Blick in seine grünblauen Augen. Wie sie aufblitzten, als er sie erkannte. Sie brauchte die Tränen nicht zum Beweis, die ihm die Wangen herunterliefen, ohne dass er einmal blinzelte. Sie hatten Recht. Er war keine Bedrohung. War es nie gewesen. Auch jetzt nicht, obwohl er sie und die andere Frau gerade einer unabsehbaren Gefahr aussetzte.
    Obwohl sie nicht fror, überzog sich ihr Körper mit Gän-sehaut. Doch ihre Seele wurde leichter. Erst jetzt merkte sie, welche Last sie in den letzten Monaten mit sich herumgeschleppt hatte. Sie hatte es auf den Verrat und die Demütigung zurückgeführt. Als Faust ihr schilderte, wie Jan sie bei ihrem Vater denunziert haben sollte, schmerzten die Worte mehr als alles andere. Sie glaubte, es wäre der Hass auf Jan gewesen, der sie erdrückte. Tatsächlich war es aber die Trauer über die scheinbar verratene Liebe. »Weißt du, wer da draußen steht?«, flüsterte Leoni und streichelte liebevoll ihr Baby. Die Kleine zitterte auf ihrem Schoß.
    Leoni weinte, weil Faust sie benutzt hatte. Sie weinte um die verlorene Zeit. Und wegen der Tatsache, dass Maja ihren Vater zum ersten Mal unter Todesgefahr treffen würde.

28.
    Götz handelte zeit seines Lebens nach einem simplen Motto: Wenn du glaubst, dass etwas falsch ist, dann ist das meistens richtig. Er konnte nicht sagen, was ihn nervös machte, während er auf das taschenbuchgroße Display in seiner Hand starrte. Aber irgendetwas war definitiv nicht in Ordnung. Er kniff die Augen zusammen und sah nach vorne. Die Nachmittagssonne stand ungünstig, aber er wollte die Sichtblende seines Helmes nicht schließen. Ira und Jan strauchelten wie zwei Betrunkene beim Versuch einer Polonaise auf Leoni zu, die im Hubschrauber sitzen geblieben war. Er konnte ihr

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