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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Mehrere zehntausend User versuchten gleichzeitig, die Studiowebcam anzuklicken, die der Geiselnehmer allerdings schon wenige Minuten nach dem Überfall deaktiviert hatte.
    Um 8.34 Uhr schwamm Sonya zwei Bahnen und begab sich danach in den angrenzenden Wellnessbereich ihres Anwesens. Zu dieser Zeit forderten gleich mehrere elektronische Werbe-Laufbänder am Alexanderplatz und rund ums Kranzler-Eck die Hauptstädter auf, sofort ihr Radio einzuschalten. Auf die Frequenz 101,5 UKW. Als Sonya um 8.35 Uhr schließlich nackt vor ihrem Tennislehrer stand, der ihr die Tür zur finnischen Dampfsauna öffnete, klingelte das Telefon auf ihrem Nachttisch. Und nachdem es viermal geläutet hatte, nahm sie endlich ab. Etwas zögerlich. Ärgerlich. Und leicht verwirrt. Hatte sie eben noch in den muskulösen Armen eines Testoste-ronwunders gelegen, so zerstörte das profane Telefonklingeln diesen wunderschönen Traum vom Luxusleben einer Millionärsgattin. Es katapultierte sie in die harte Realität einer müden Kellnerin zurück, die sich nach einer anstrengenden Nachtschicht in ihrer Kreuzberger Sozialwohnung schlafen gelegt hatte. Vor drei Stunden. Als die Welt noch in Ordnung gewesen war.

16.
    »Hallo?« Unter normalen Umständen hätte die verschlafene Frauenstimme sympathisch geklungen. Doch für die Menschen im A-Studio von 101Punkt5 besaß sie die Erotik eines Maschinengewehrs. »Mit wem spreche ich bitte?«
    »Sonya Hannemann, wieso. Was gibt's denn?« Jan zog den Mikrophongalgen etwas näher zu sich heran. »Hier ist 101Punkt5, und wir spielen gerade Cash Call.« Am anderen Ende hörte Jan ein kurzes Rascheln, dann ein leises Fluchen.
    »'tschuldigung. Ich habe gerade geschlafen. Hab ich jetzt was gewonnen?«
    »Nein. Sie haben sich leider nicht mit der richtigen Kohle-Parole gemeldet.«
    »Doch, doch ...« Sonya klang auf einmal hellwach. »Ich höre euch jeden Morgen. Du bist Markus Timber, nicht?«
    »Nein. Aber der sitzt mir gegenüber.«
    »Ich, äh, also ... ich höre 101Punkt5, und jetzt her mit dem Zaster«, rief Sonya hastig, und ihre Stimme überschlug sich fast bei jedem Wort. »Ich kenne die Parole. Ich bin auch im Gewinnerclub für die fünfzigtausend Euro registriert, bitte .«
    »Nein.« Jan schüttelte den Kopf.
    »Aber ich hatte doch Nachtschicht«, flehte sie. »Ich hab nur kurz geschlafen, ich brauch das Geld.«
    »Nein, Sonya. Heute geht es nicht um Geld. Wir haben die Regeln geändert.«
    Die Frau am anderen Ende stutzte.
    »Was soll das denn heißen?« Man konnte hören, dass sie gegen ein leichtes Gähnen ankämpfen musste.
    »Die richtige Kohle-Parole hätte gelautet: >Ich höre 101Punkt5 und jetzt lass eine Geisel frei!<«
    »Eine Geisel?«
    » Ja .«
    »Und was dann?«
    »Dann hätte ich eine Geisel freigelassen.«
    »Moment mal, wer ist da noch mal dran?« Die junge Frau klang jetzt wieder so verwirrt wie am Anfang des Gesprächs.
    »101Punkt5. Ich kann Ihnen meinen Namen leider nicht nennen, aber Sie sind jetzt live in einer Sondersendung. Ich habe seit einer Stunde mehrere Personen im Studio als Geiseln in meiner Gewalt.«
    »Das ist ein Scherz?«
    »Nein.«
    »Und ... und was passiert jetzt?«
    »Jetzt muss ich leider auflegen und jemanden erschießen.«

17.
    Ira war frustriert, weil niemand ihre Warnungen hatte hören wollen. Aber sie wusste, sie würde gleich noch viel deprimierter sein, wenn das eintrat, was sie befürchtete. Denn natürlich konnte jemand, der sich mit dem Funktionsintervall des elektronischen Studiotürschlosses vertraut gemacht hatte, auf gar keinen Fall das Problem mit den Lüftungsschächten übersehen haben.
    Zielobjekt bewegt sich. Befehl? Der Cursor blinkte immer noch hinter der letzten Textmeldung von Onassis. Nachdem der erste Cash Call wie erwartet misslungen war, rechneten alle nun mit dem Schlimmsten. Zumal der Geiselnehmer aufgestanden war und sich mit einer Schusswaffe in der Hand langsam in Bewegung setzte.
    Götz pochte mit seinem Zeigefinger auf die linke äußere Seite des Bildschirms und drehte sich zu Steuer um. »Was ist das für eine Tür, da neben dem Regal?«
    »Da geht's in den Erlebnisbereich«, antwortete der Assistent an Steuers Stelle. »Wohin?« Götz drehte sich um. »In die Studioküche.«
    »Verdammt. Wahrscheinlich hat er die erste Geisel bereits isoliert, die er dort gleich erschießen will.« Götz sah wieder auf den Monitor und hackte den nächsten Satz hektisch in den Computer. »Zielobjekt will den Raum verlassen. Sofort schießen,

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