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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Verhandlungsführer wäre und Ira von etwas abgelenkt werden müsste. Noch mehr allerdings fragte sich Diesel, warum Ira auf diesen Psychoterror überhaupt einging. Ihm war schon klar, dass sie um jeden Preis eine persönliche Beziehung zu dem Täter aufbauen musste. Aber doch nicht auf Kosten ihres eigenen Seelenlebens.
    Ein größeres Rätsel war für Diesel nur noch, wieso er sich überhaupt diese Fragen stellte. Irgendetwas an Iras traurigem Blick musste wohl sein Helfersyndrom angesprochen haben, und er gestand sich insgeheim ein, dass er diese mutige Frau gerne unter anderen Umständen kennen gelernt hätte.
    »Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, warum Sara sich etwas angetan hat.« Iras Antwort, die gleichzeitig ein Geständnis war, kam mit belegter Stimme aus den schlechten Radioboxen. »Ich hatte in den letzten Monaten vor ihrem . «, Ira stockte eine Millisekunde, ». vor ihrem Tod kaum noch Kontakt zu ihr. Sie hatte ihre Probleme. Aber ich war nicht ihre Vertrauensperson.«
    »Das war ihre Schwester Katharina, richtig?«
    »Ja, manchmal. Wer war denn Leonis beste Freundin?«, startete Ira den Versuch, das Thema zu wechseln. »Was ist mit ihrer Familie?«
    »Sie ist Vollwaise. Ihre Eltern starben an zu viel Haarspray.«
    »Wie bitte?«
    »Es war in Südafrika. Leonis Eltern arbeiteten gemeinsam als Chemiker in der industriellen Produktion von >Wack-mo<, einer mittelgroßen Aktiengesellschaft, die auch Konsumgüter herstellt, wie zum Beispiel Haarspray. Bei einer Explosion in der Fabrik kamen vierundvierzig Angestellte ums Leben. Sechs verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Darunter Leonis Eltern. Damals war sie vier. Die Schwester ihrer Mutter nahm sie mit nach Europa. Sie wuchs in Italien auf, studierte in Paris und lebte erst seit kurzem in Berlin.«
    »Das heißt, sie hatte hier keine engeren Freunde außer Ihnen?«
    »Ja, richtig. Und wie war das bei Sara?«, übernahm Jan wieder die Gesprächsführung. Diesel beschlich das Gefühl, als ob es zwischen den beiden im Radio eine unausgesprochene Vereinbarung über die Regeln gab, nach denen sie ihre Unterhaltung führten. Do ut des. Wie bei »Wahrheit oder Pflicht« musste der eine dem anderen intime Details beichten, bevor er selbst eine weitere Frage stellen durfte. Nur dass das hier kein normales Partyspiel, sondern tödlicher Ernst war.
    »Sara ist doch bestimmt in Berlin geboren und aufgewachsen?«
    »Ja.«
    »Hatte sie einen festen Freund?« »Einen?«
    Diesel stutzte. Die Art, wie Ira das Wort betonte, klang nicht nach einer Mutter, die stolz darauf war, dass ihrer hübschen Tochter die Männer in Schwärmen hinterherliefen.
    »Sie hatte also viele Verehrer?«
    »Nein. So kann man es nicht nennen.«
    »Wie denn dann?«
    »Nun. Sara wollte nicht >verehrt< werden. Sie hatte keine herkömmliche Einstellung zu Liebe und Sexualität.«
    »Sie war promiskuitiv?«
    »Ja.«
    Diesel näherte sich der Ausfahrt und wunderte sich, wie weit Ira noch gehen wollte, während Millionen von Menschen ihr dabei zuhörten. Warum breitete sie das alles offen aus? Warum diese zwanghafte Ehrlichkeit? Ira beantwortete seine stummen Fragen mit den nächsten Sätzen.
    »Wissen Sie, ich könnte Ihnen jetzt irgendwas erzählen, Jan. Und, ehrlich gesagt, fühle ich mich nicht besonders wohl bei dem Thema. Doch, wie ich Sie bislang kennen gelernt habe, haben Sie diesen Drecksartikel über meine Tochter schon längst im Internet gefunden.«
    »Sie meinen den über die Sexclubs?«
    »Genau den.«
    »Und? Stimmt er?«
    »Stimmt es, dass eine Patientin Sie wegen sexueller Nötigung angezeigt hat, Jan?«, drehte sie den Spieß wieder um. Diesel schämte sich fast, aber er spürte einen kleinen Anflug von Stolz, dass sie Informationen benutzte, die er ihr vorhin gegeben hatte.
    »Ja. Ich soll sie unter Drogen gesetzt und vergewaltigt haben. Aber das ist nicht wahr. Ich habe sie nicht angerührt.«
    »So wie Sie Manfred Stuck nichts getan haben?«, fragte Ira gehässig, und Diesel spürte, dass sie kurz davor war, den Bogen zu überspannen. Er überlegte, ob er rechts ranfahren sollte, und wusste, dass es in diesem Augenblick zahlreichen anderen Zuhörern im Auto ebenso gehen musste. So pervers die Unterhaltung auch war, das Wechselspiel besaß eine morbide Faszination. »Das ist etwas anderes«, antwortete Jan. »Ich habe mich noch nie einer Patientin genähert. Das gehört doch alles zu dem Plan.«
    »Was für ein Plan? Wessen Plan?«
    »Dem der Regierung. Der des Staates. Was weiß ich?

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