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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Durchsage eines schlecht gelaunten Busfahrers.
    »Ich sehe keine große Chance, dass Sie ihn zum Aufgeben bewegen können. Oder einen weiteren Zeitaufschub bekommen. Doch Sie müssen Ihr Bestes geben, denn wir brauchen jede Sekunde. Steuers Eliteeinheit ist gerade dabei, einen Lähmungsschuss zu proben.«
    »Sie wollen ihn betäuben?«
    »Genau. Es ist unsere einzige Chance«, meldete sich Steuer zu Wort. Er trat seine Zigarette aus und strich sich seine zerzausten Haare glatt.
    »Wir haben einen Weg gefunden, uns von unten dem Studio zu nähern, und proben gerade im sechsten Stockwerk in der Studioattrappe einen finalen Schuss durch die Bodenplatten. Da wir jetzt davon ausgehen, dass Jan May mit einer Pulskontrolle verkabelt ist, müssen wir ihn mit dem ersten Treffer so lähmen, dass er keinen Finger mehr rühren kann, um den Auslöser für den Sprengstoff zu drücken. Aber er darf auch nicht sterben, weil uns sonst alles um die Ohren fliegt, wenn sein Puls aussetzt.«
    »Und ich soll für ihn die Telefonseelsorge spielen, so lange, bis das mobile Einsatzkommando mit der Probe fertig ist?«
    »Genau. Sie sind die Einzige, mit der er redet. Wenn wir Sie jetzt abziehen, riskieren wir eine Kurzschlussreaktion. Also, halten Sie ihn hin. Überzeugen Sie ihn von Leonis Tod. Meinetwegen reden Sie auch über Ihre Tochter mit ihm. Egal was, schinden Sie Zeit. Aber gehen Sie um Himmels willen nicht auf seine Hirngespinste ein, indem Sie Ihre Zeit damit vergeuden, nach einem Phantom zu suchen. Vergessen Sie die Obduktionsakte. Leoni war nicht schwanger. Verstehen Sie? Das gehört zu seinen Wahnvorstellungen. Bestärken Sie ihn noch nicht einmal in seinen wirren Gedanken. Leoni ist tot. Ist das klar?«
    »Warum habe ich ein ungutes Gefühl, weil Sie das so deutlich betonen?«, fragte Ira.
    Faust nahm ein leinenes Taschentuch aus der Tasche sei-nes Mantels und tupfte sich affektiert die Wangen ab. Ira fragte sich, ob er heimlich Lippenstift trug. Der Staatsanwalt zwang sich, freundlich zu lächeln, vergaß dabei aber seine Augen. Ira wusste, der Unterschied zwischen einem ehrlichen Lachen und dem leeren Gesichtsausdruck eines grinsenden Werbemodells liegt nur im Blick. Faust lächelte zwar, aber die Augen hinter seiner Brille waren eiskalt. Und das konnte nur eines bedeuten: dass alles, was er gleich sagen würde, eine Lüge war: »Leoni ist gestorben, das müssen Sie mir glauben. Und ja - ich weiß, was Sie jetzt denken. Dass hier etwas oberfaul ist. Würde ich auch tun. Würde jeder halbwegs intelligente Mensch denken, den man auf ein Hochhausdach zitiert und dann mit offenen Fragen zurücklässt. Aber noch mal: Es hat augenscheinlich einen Grund, dass ich als Oberstaatsanwalt hier auf dem Plan stehe. Doch diesen Grund kann ich Ihnen aus Aspekten, die die Sicherheit unseres Staates betreffen, nicht erläutern. So gern ich es würde. Ich kann Ihnen keinen reinen Wein einschenken. Nur so viel: Sie gefährden das Leben unzähliger Menschen, wenn Sie auch nur den Hauch eines Zweifels am Tod von Leoni Gregor in der Öffentlichkeit säen. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wer Ihnen gerade zuhört! Also?«
    »Also was?«
    »Versprechen Sie mir, uns zu helfen? Kann ich mich auf Sie verlassen?«
    Mitten im letzten Satz vibrierte es wieder in Iras Lederjacke. Sie zog das Handy heraus, froh darüber, nicht sofort auf Fausts Frage antworten zu müssen. Doch die Freude währte nur kurz. Es war das Studio. Igor hatte den Anruf weitergeleitet. Jan May wollte sofort mit ihr sprechen.
    In Diesels altem Porsche Targa funktionierte das Radio nur, wenn es regnete. Die Antenne war ihm letzte Woche direkt vor dem Wettbüro geklaut worden, in dem er samstags immer auf das nächste Hertha-Spiel setzte. Jetzt konnte er das Gespräch zwischen Ira und Jan auf seinem Weg zum Flughafen nur mit gelegentlichen Aussetzern verfolgen. Zum Glück sagte der Wetterbericht für später Regenschauer voraus, und eine einsame dunkle Wolke zeigte sich bereits über der Stadtautobahn nach Schönefeld. Aus irgendeinem Grund war bei schlechtem Wetter der Empfang besser. Fast so, als ob sich der alte Receiver bei strahlendem Sonnenschein hitzefrei nehmen würde.
    »Lassen Sie uns offen sprechen. Ich weiß, Ihre Tochter Sara ist nicht verunglückt. Sie war keine Epileptikerin, sie hat sich das Leben genommen. Warum?«, fragte der Geiselnehmer gerade, und Diesel wunderte sich, warum Jan May immer wieder auf diesen sensiblen Punkt zu sprechen kam. So als ob er der

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