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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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erinnerte.
    Was, wenn wieder jemand abnimmt, der sich falsch meldet? Welches Opfer hat er sich als Nächstes ausgesucht? Kitty versuchte, sich zu konzentrieren, wusste aber nicht, worauf, und ließ deshalb ihren Gedanken weiter freien Lauf.
    Was, wenn es diesmal klappt? Wen lässt er frei? Die Schwangere? Was passiert überhaupt, wenn sich ein Anrufbeantworter meldet? Ist eine Mailbox ein Todesurteil für eine Geisel? Und warum habe ich Mama nicht die Wahrheit gesagt?
    Ihr Gedankenstrom erstarb mit dem fünften Klingeln. Mit dem Abheben. Und mit dem ersten Wort am anderen Ende.

18.
    Ira und Götz standen vor dem provisorischen Studionachbau im Großraumbüro der Einsatzzentrale und wagten kaum zu atmen. Sie trugen beide Kopfhörer, über die sie das Gespräch verfolgen konnten. Aus irgendeinem Grund waren im gesamten Stockwerk alle Lautsprecher abgeschaltet. Wählen - klingeln - abheben. Die banalen Klänge zählten noch bis vor wenigen Stunden für jeden Menschen zu der ungefährlichen Geräuschkulisse des zivilisierten Alltags. Jetzt hatten sie ihre harmlose Bedeutung verloren und sich zu grauenhaften Todesboten verwandelt. Über Kopfhörer besaßen sie zudem eine noch viel größere, fast körperlich spürbare Intensität, die sich ins Unermessliche steigerte, als endlich abgehoben wurde. »Ich, äh, ich höre 101Punkt5, und jetzt lass eine Geisel frei.«
    Erleichterung. Grenzenlos.
    Im selben Moment, als der Jubel in der Einsatzzentrale losbrach, strömte ein fast unbekanntes Glücksgefühl durch Iras Körper. Zuletzt hatte sie etwas Vergleichbares, etwas so Lebendiges, nach der Geburt ihrer Töchter gespürt. Sie wollte die Emotion konservieren. Das Lachen auf dem Gesicht von Götz, die hochgereckten Fäuste der Beamten im Großraumbüro und ihre eigenen Freudentränen - sie wollte sie mit einem inneren Fotoapparat für alle Ewigkeiten in ihrem Langzeitgedächtnis bewahren. Doch vier schlichte Worte des Geiselnehmers rissen sie in die Realität zurück. »Das war ein Test.«
    Iras Lachen erstarb. Ihre Hoffnung fiel in sich zusammen wie eine Konservenpyramide, aus der man die falsche Dose herausgezogen hatte. Ein Test!
    Jetzt wusste sie, was Jan vorhin gemeint hatte. Warum er sie gefragt hatte, ob er ihr vertrauen könne. Und jetzt wurde ihr auch klar, warum die Lautsprecher ausgeschaltet worden waren. Warum sie alle Kopfhörer trugen. Rückkopplung!
    Sie drehte sich langsam um einhundertzwanzig Grad im Uhrzeigersinn. Ihr Blick wanderte über die verschiedenen Schreibtische, von denen einige noch mit einer Plastikschutzfolie ummantelt waren. An denen dennoch zahlreiche unbekannte Gesichter saßen. Vor ihren eingeschalteten Computern und mit kleineren Kopfhörern als denen, die sie selbst trug. Viel kleineren. So genannten Headsets. Mit denen man hören und sprechen konnte. »Verdammt Götz? Was habt ihr mit den Anrufen gemacht?«
    Der Teamleiter, der gerade einen Kollegen umarmen wollte, zuckte zusammen, als ob er sich einen Nerv eingeklemmt hätte.
    »Ich . ich weiß nicht. Dafür bin ich nicht .« Ira setzte sich in Bewegung, ohne die vollständige Antwort abzuwarten. In Richtung Steuers Büro. Während sie an einem der Schreibtische vorbeirannte, sah sie aus dem Augenwinkel heraus etwas, was ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigte. Eine Eingabemaske auf dem Monitor. Alle Mitarbeiter, die hier saßen, warteten auf Anrufe.
    Die Tür stand offen, und Ira konnte schon von weitem Steuers grinsende Visage ausmachen.
    »Haben Sie den Anruf eben umleiten lassen?«, rief sie ihm zu.
    Verdammt. Bitte sag, dass das nicht wahr ist. Iras Gedanken rannten jetzt genauso schnell wie sie selbst. »Was regen Sie sich so auf?«, lachte Steuer, als sie beinahe in sein Büro flog. »Ich hab es Ihnen doch vorhin sogar persönlich angekündigt.«
    »Sie bescheuerter Idiot«, schleuderte sie ihm entgegen. Erstaunt nahm sie den belegten Klang ihrer Stimme zur Kenntnis. Als die Tränen in ihren Augen das dreckige Grinsen in Steuers Mund zu einer gemeinen Fratze verschwimmen ließen, merkte sie, dass sie wieder weinte. Sie wiederholte ihre Beleidigung, die Steuer aber nichts auszumachen schien. Im Gegenteil. Sie verstärkte sogar noch seinen tief befriedigten Gesichtsausdruck. »Danke, dass Sie das vor Zeugen so offen gesagt haben. Damit bleibt es wohl kaum bei einer einfachen Dienstaufsichtsbeschwer...« Der erste Schuss unterbrach ihn.
    Der zweite raubte Steuer das höhnische Lächeln und ersetzte es durch einen Blick in seinen

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