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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Augen, der an Fassungslosigkeit nicht mehr zu überbieten war. Ira schlug beide Hände vors Gesicht. Steuer griff mit zittrigen Fingern zur Fernbedienung und schaltete das Radio auf seinem Tisch an.
    »Das war ein Test«, wiederholte Jan gerade mit harter Stimme.
    »Und ihr habt ihn nicht bestanden.«

19.
    Was für ein Irrsinn. Jan schloss seine Hand so fest, wie er konnte, um die Glock, die er vor wenigen Stunden dem UPS-Mann abgenommen hatte, und hämmerte den Kunststoffgriff in seiner Faust auf das Studiomischpult. Irrsinn!
    Die Pistole kam ihm viel zu leicht vor. Kaum Gewicht. Noch vor wenigen Wochen hätte er sie für eine Attrappe gehalten. Eine Spielzeugpistole, mit der man locker durch die Flughafenkontrollen marschieren könnte, ohne dass der Metalldetektor auch nur müde fiepsen würde. Heute, drei Wochen nach dem Waffencrash-Kurs, den ihm der versoffene Hausmeisterjunkie während seiner lichten Momente gegeben hatte, wusste er es besser. Die Waffe war nicht schwer, aber deshalb nicht weniger tödlich. »Was ist los mit Ihnen?«
    Jan hob den Kopf und konnte nicht anders. Er musste über die Frage von Markus Timber lächeln, die angesichts der Situation, in der sie alle gerade steckten, mehr als absurd war.
    Was mit mir los ist? Nichts. Kleiner Ausraster. Passiert mir manchmal, dass ich bei einer Geiselnahme etwas nervös werde und anfange, ein paar Menschen zu erschießen. Sorry. Dumme Angewohnheit.
    »Ich meine, was war falsch an der Antwort?«, konkretisierte der Star-Moderator seine Frage. Wegen seiner blutverkrusteten Nase sah er aus wie ein Wahnsinniger, der sich zum Zeitvertreib ein Handtuch mit Erdbeermarmelade quer über das Gesicht gezogen hatte. In seinen Nasenlöchern steckten zwei verschmierte Stöpsel aus zusammengerollten Tempotaschentüchern, die bei jedem Wort gefährlich mitwackelten.
    »Die Antwort war okay. Die Person war es nicht.« Jan tippte Flummi auf die Schulter, der das Zeichen verstand, einen neuen Song zu starten. Seit den beiden Schüssen hatte sich der Produzent nicht einen Millimeter bewegt und wie in Trance auf irgendeinen Punkt auf dem Computerbildschirm gestarrt. Dadurch war er der Einzige im Raum, der nicht wusste, wen Jan gerade getroffen hatte.
    »Was soll das heißen?«, fragte Timber, während die charakteristischen Drums von »Running up that hill« den größten Hit von Kate Bush einleiteten. »Seit wann gehört das zu den Regeln? Sie haben gesagt, Sie lassen eine Geisel frei, wenn sich jemand mit der richtigen Parole meldet. Genau das ist geschehen.«
    »Ja.« Jan brachte es irgendwie fertig, seiner positiven Antwort einen negativen Klang zu geben. »Und?« Der Moderator sah ihn herausfordernd an, und wieder musste Jan lächeln. Er wusste, dass alle im Studio ihn missverstehen und für ein zynisches Arschloch halten würden. Doch der Anblick des aufgebrachten Timbers, dessen geschwollene Nase jetzt eigentlich viel besser in sein feistes Gesicht passte, war einfach zu komisch. Oder auch nicht und er drehte langsam wirklich durch. Vielleicht sollte er doch noch eine der ovalen Pillen nehmen, die er sich für den Notfall in die Tasche seiner Jogginghose gesteckt hatte. Mittlerweile war sie das einzige Stück seiner Verkleidung, das er noch trug. Er ging davon aus, dass sein Foto spätestens jetzt in Überlebensgröße von einem Beamer auf die Projektionswand der SEK-Einsatz-zentrale geworfen wurde und dass Dutzende Beamte in dieser Sekunde seine Villa in Potsdam auf den Kopf stellten. Eine Tarnung war nicht mehr nötig. »Was war falsch mit diesem Cash Call?«, wollte Timber wissen.
    Er betonte jedes Wort einzeln, genau im Takt mit der flackernden roten LED-Anzeige des Studiotelefons. Ira!
    Jan überlegte kurz, ob er sie ignorieren sollte. Doch dann gab er Flummi ein Zeichen. Der zog die Musik runter und schaltete die Leitung On Air.

20.
    »Das war wohl nichts.«
    Ira wollte gerade die Tür zum Treppenhaus öffnen, als Jan nach dem einundzwanzigsten Klingeln endlich abnahm. »Wie viele sind verletzt?«, kam sie gleich zur Sache. »Wie oft habe ich denn geschossen?«, antwortete er lakonisch.
    »Zweimal. Es gibt also zwei Opfer? Braucht jemand von denen Hilfe?«
    »Ja. Ich! Ich brauche sofort jemanden, der mir hilft, Leoni zu finden.«
    Ira nahm zwei Stufen auf einmal, merkte aber sofort, dass sie diese Anstrengung über die nächsten dreizehn Stockwerke nicht durchhalten würde, und schaltete wieder einen Gang runter.
    »Das weiß ich. Ich arbeite dran. Doch jetzt

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