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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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mal zu Herrn Waschinsky, Warwinsky oder Wanninsky vorgelassen worden, oder wie immer der Mann hieß, der mit unleserlicher Handschrift den Unfallbericht unterschrieben hatte.
    »Ich flieg aber kein Koks für dich über die Grenze!« Habicht lachte und suchte irgendwas auf seinem Schreibtisch. Dabei schmiss er eine Kaffeetasse um. »Mist. Schätze, das war dein Drink!« Er lachte noch lauter. Diesel fragte sich, ob es wirklich so intelligent von ihm gewesen war, Götz' Anweisungen zu ignorieren und eigenmächtig zum Flughafen zu fahren. Aber wenn es einen gab, der ihm helfen konnte, dann dieser Verrückte vor ihm.
    »Geht es um euer neues Radiospiel? Ist ja das Abgefahrenste, was ich seit langem auf eurem Mistsender gehört habe. Wie viel hat der bislang kaltgemacht?« Obwohl Habicht seit über sieben Jahren fast täglich morgens den Verkehrsreport aus der Luft moderierte, wollte er sich nicht mit 101Punkt5 identifizieren. Er sprach nie von »unserem«, sondern immer von »eurem« Sender. »Bist du am neunzehnten September geflogen?«, kam Diesel direkt zum Punkt. » Ja .«
    »Ich meine letztes Jahr.«
    »Ja, ja.«
    »Musst du nicht in deinen Kalender schauen oder deine Sekretärin fragen?«
    »Wieso?« Habicht sah Diesel an, als ob ihm ein Popel aus der Nase hängen würde. »Ich hab am neunzehnten September Geburtstag. Da flieg ich immer.« Gut. Sehr gut sogar.
    Diesel zog aus der Innentasche seiner abgewetzten Lederjacke ein zerknittertes Stück Papier hervor. Er legte es mit der leeren Seite nach oben vor sich auf den Schreibtisch und strich es glatt.
    »Hast du eine Karte von einem Unfall in Schöneberg an diesem Tag?«
    Habicht grinste breit und entblößte dabei für seine Gesamterscheinung erstaunlich gepflegte Zähne. »Eine Geburtstagskarte?« Habicht lachte schallend über den müden Witz. Diesel nickte.
    »Karte« war Habichts Lieblingsvokabel. Er und eine Handvoll anderer Spinner sammelten Unfallfotos: ein umgekippter Laster auf dem Stadtring, ein ausgebrannter Golf nach einer Massenkarambolage oder ein Radfahrer unter der Straßenbahn. Je krasser, desto besser. Die meisten Fotos schossen die Sanitäter am Unfallort. Alles Habichts Kumpel, die nur so schnell zur Stelle sein konnten, weil er als Pilot die Unfälle als Erster von oben aus seiner Cessna entdeckte. Aus Dankbarkeit bekam er meistens einen Abzug als Trophäe. Habicht machte aus ihnen Spielkarten, die er in einen Sammelordner klebte wie andere Leute Abziehbilder von Fußballspielern. Manchmal tauscht e er sie mit anderen Verkehrsreportern in ganz Deutschland. Er war nicht der einzige Mensch beim Radio, der öffentlich seine Macken auslebte. »War das nicht der Tag, an dem der Idiot beim Fahren seinen Kopf aus dem Seitenfenster rausstreckte, weil seine Scheibenwischer nicht funktionierten und er wegen Regens nichts sehen konnte?«
    Habicht drehte sich mit seinem Sessel um einhundertachtzig Grad und starrte auf ein Metallregal. Darum konnte er nicht sehen, wie Diesel den Kopf schüttelte. Der »Idiot« war damals bei Tempo sechzig mit dem Kopf gegen einen entgegenkommenden Außenspiegel geprallt. Habicht summte »I'm singing in the rain«, während er einen Aktenordner nach dem anderen hervorzog. »Wusst' ich's doch.« Er drehte sich wieder um und hielt ein Schüleroktavheft in seinen breiten Händen. Er klappte es in der Mitte auf. Diesel sah angewidert auf die eingeklebte »Karte.« Ein Sanitäter presste vergeblich seine Hände auf einen blutverschmierten Brustkorb. Der Mann auf dem Foto war bereits tot.
    »Das mein ich nicht. Ich suche einen schwarzen BMW.« Diesel erklärte ihm kurz den Unfallhergang, so wie er aus Leonis Obduktionsbericht hervorging. Habicht sah ihn kurz an und schlug dann lachend mit seiner Pranke auf den Schreibtisch.
    »Du bist so krank, Diesel, weißt du das?« Er lachte weiter, und Diesel konnte nicht anders, als mit einzustimmen. Die ganze Situation war einfach zu grotesk. Vor ihm saß ein offensichtlich verhaltensgestörter Pilot mit einer Vorliebe für morbide Nahaufnahmen, und der nannte ihn einen kranken Menschen.
    »Einen Aufprall? Auf eine Ampel? Totalschaden? Ausgebrannt? Mit einer Toten?«
    Diesel nickte bei jeder Frage mit dem Kopf, während Habicht sich wieder zu seinem Regal umgedreht hatte. Ein Hefter nach dem anderen wurde erneut herausgezogen, aufgeklappt und wütend wieder zurückgeschoben.
    »Nee«, schüttelte Habicht schließlich seinen Kopf. »Ausgeschlossen?«
    »Wenn es in meiner Stadt und auf

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