Amokspiel
Rätsel weiter auf.
Ira empfand das Grauen diesem Mann gegenüber fast noch schlimmer als ihre körperlichen Schmerzen. Aber wenn es stimmte, was Marius gerade enthüllte, dann würde Jans wahnsinnige Liebe seiner Verlobten ganz sicher den Tod bringen. Die Mafia wartete ja nur darauf, dass Leoni endlich aus ihrem sicheren Versteck kroch! »Es war kein schlechter Schachzug von Faust, Leoni direkt unter meiner Nase zu verstecken. In Berlin suchten wir sie nach ihrem Verschwinden vor zwei Jahren in der Tat am wenigsten. Doch dann unterlief Leoni ein großer Fehler. Sie verliebte sich in einen Psychologen.«
»Jan May.«
Ira spürte, wie sich die losen Fäden langsam immer dichter zu einem Knäuel zusammenwoben. »Genau. Der arme Kerl weiß bis heute nicht, worauf er sich eingelassen hat. Er begann ein Verhältnis mit einer Frau, deren Vergangenheit eine einzige Lüge ist. Mit meiner Tochter! Kein Wunder, dass er bei seinen Nachforschungen später nur auf Fragen stieß und keinerlei Antworten erhielt. Er wollte eine Kronzeugin im Zeugenschutz heiraten. Hätte er seine leidenschaftliche Liebe nicht so an die große Glocke gehängt, wäre ich gar nicht aufmerksam geworden. Es war nur ein dummer Zufall, dass wir Jan May vor einem Jahr unter Beobachtung nahmen. Wir suchten einen anerkannten Gutachter, der für uns bei etwaigen Prozessen in unserem Sinne aussagen würde. Jan war nur einer von vielen Psychologen, die wir dafür im Visier hatten.«
»Und bei der Überprüfung seiner Daten fanden Sie auf einmal Ihre Tochter wieder.«
»Nein. So war das nicht. Faust hat sie vorher selbst an mich verraten.«
»Das kann nicht sein«, protestierte Ira. »Ich trau dem Mistkerl ja eine Menge zu, aber doch keinen Mord.«
»Menschen erstaunen einen immer wieder, nicht wahr? Ob es die eigene Tochter ist oder ein ranghoher Staatsanwalt. Er verlangte übrigens siebenhundertfünfzigtausend Euro.«
»Für Ihre Tochter?«
»Nein. Für ihren Tod!«
»Halt, halt, halt ...« Ira glotzte ungläubig auf den Bildschirm. »Sie haben Ihre eigene Tochter von der Staatsanwaltschaft ermorden lassen?« Schuwalow nickte kurz.
»Davon war ich jedenfalls eine lange Zeit überzeugt. Bis gestern habe ich mich jeden Abend in der beruhigenden Gewissheit schlafen gelegt, meine Tochter sei bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen. Einem inszenierten Unfall, der mich eine Dreiviertelmillion Euro gekostet hat. Und an dessen tödlichen Ausgang ich bislang keine Zweifel hegte. Faust hatte mir schließlich einen eindeutigen Beweis geliefert.«
» Welchen? «
»Feodoras Leiche.«
»Sie haben ihren Körper untersucht?«
»Faust arrangierte einen Termin in der Gerichtspathologie. Mein eigener Hausarzt nahm einen Gebissabdruck und die notwendigen Gewebeproben. Ich habe sogar einen Abdruck des rechten Mittelfingers. Der einzige, der nicht verbrannt war. Zwei weitere Spezialisten haben die Ergebnisse später unabhängig voneinander bestätigt.«
»Also hat Faust Ihre Tochter tatsächlich umbringen lassen.«
»So dachte ich. Bis ich heute Morgen nichts ahnend das Radio einschalte und Jan May einige zum Teil sehr berechtigte Fragen stellte. Warum zum Beispiel fehlte der Hinweis auf die Schwangerschaft im Obduktionsbericht? Wieso ist das Unfallfoto gefälscht, wie mir Herr Wagner nach intensiver Nachfrage bestätigte?« Marius' Stirn warf besorgte Falten, als hätte er gerade eine Unregelmäßigkeit in einer Jahresbilanz entdeckt. »Jan Mays Amoklauf hat bei mir berechtigte Zweifel gesät. Und ich hasse Zweifel. In meinem Geschäft bedeuten sie den Tod. Was wäre, wenn Leoni wirklich noch am Leben ist? Was, wenn Faust mich übers Ohr gehauen hat und meine Tochter übermorgen gegen mich aussagen wird?«
»Wie sollte Faust das geschafft haben? Ist Leoni nun tot oder nicht?«, fragte Ira atemlos.
»Sagen Sie es mir. Ich habe zunächst geklärt, ob meine Tochter wirklich schwanger war. Dazu führten wir eine kleine Unterhaltung mit Leonis Kontaktperson im Zeugenschutz. Einer alten Dame, die einen Stock unter Leonis letzter Wohnung in der Friedbergstraße lebte. Wie hieß sie noch, Herr Wagner?«
Das V-Gesicht riss Diesels Kopf wieder vom Tisch und den Chefredakteur damit zurück ins Bewusstsein. Marius wiederholte seine Frage.
»Ihr Name, fällt mir grad nicht ein. Oder doch. Ich glaube so .« Diesel spuckte einen blutigen Pfropfen in Schuwa-lows Richtung.
»Sie haben eine feuchte Aussprache, mein Bester. Aber ich glaube, Sie wollten >Marta< sagen.
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