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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Sie war schon etwas älter, stand aber immer noch auf der Lohnliste des Staates. Keine schlechte Idee. Wer vermutet schon in einer Drei-undsiebzigjährigen eine Kontaktperson des Zeugenschutzes? Sie war Leonis einzige Vertraute. Ihr hatte sie auch von dem Baby erzählt. Es ist schon erstaunlich, was Menschen einem alles verraten, wenn man ihnen einen Kugelschreiber aus der Nähe zeigt.«
    »Warum erzählen Sie uns das alles?«, wollte Ira wissen. »Zunächst, weil Sie nie in die Versuchung kommen werden, es gegen mich zu verwenden. Dazu habe ich Vorkehrungen getroffen. Aber hauptsächlich, weil ich jetzt im Gegenzug von Ihnen erfahren will, wo meine Tochter steckt.«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Ira. »Warum fragen Sie nicht Faust?«
    »Der gute Mann hat fluchtartig seine Villa verlassen. So konnten wir wenigstens ungestört die Daten auf seinem Computer sichern. Er scheint nicht sehr technikversiert zu sein. Wir fanden die Aufnahmen von Leoni in seinem elektronischen Papierkorb. Sein spärlicher E-Mail-Verkehr gibt übrigens Anlass zu der Vermutung, dass sich unser Staatsanwalt mit einer gecharterten Privatmaschine ins Ausland absetzen will. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn abfangen. Bis dahin würde ich gerne wissen, was er Ihnen bei der Unterredung auf dem Studiodach verraten hat, Frau Samin.«
    »Gar nichts. Ich spiele nicht in seinem Team. Falls Sie es nicht mitbekommen haben: Ich wurde von der Verhandlung abgezogen und bin offiziell suspendiert! Ich wäre die Letzte, der man solche Informationen anvertraut.«
    »Möglich. Ich glaube Ihnen sogar. Allerdings gehe ich gerne auf Nummer sicher.« Er schob ihr ein leeres Glas zu.
    »Am besten, Sie bestellen schnell noch was bei mir.«
    »Wozu?«
    »Dort, wo wir jetzt alle gemeinsam hingehen, wird es für lange Zeit nichts mehr zu trinken geben.« Schuwalow griff eine etikettlose Flasche und goss das Whiskeyglas so voll, dass sich die klare Flüssigkeit an den Rändern wölbte. »Ich würde Ihnen ja gerne Wodka aus meiner Heimat anbieten, doch ich bin mir sicher, Sie bevorzugen etwas Härteres.« Er schob das Glas vorsichtig in ihre Richtung. »Strohrum, achtzigprozentiger. Sie müssen abtrinken, sonst verschütten Sie es auf dem Weg.« Als wäre dies sein Weckruf gewesen, stand der Scherge hinter Ira von seinem Platz auf, hievte sich Diesel auf die Schulter und setzte sich in Bewegung.

4.
    Nur eine Minute, dachte Götz und zog seine Waffe. Sie können erst eine Minute weg sein. Er stieß vorsichtig mit dem Fuß gegen die offen stehende Wohnungstür seines Appartements und schlich sich lautlos hinein, obwohl er ganz genau wusste, dass er zu spät kam. Hier war niemand mehr. Ira war entführt worden. Er rekapitulierte die Minuten, seit er sie verlassen hatte, dachte an den Moment, als er ins MCB-Gebäude zurückgekommen war und Ira noch einmal anrufen wollte. Um sich zu entschuldigen. Er hatte ihre angespannte Situation ausgenutzt und es zu weit kommen lassen. Beim dritten Klingeln stand er gerade in der Lobby und wartete vor den Fahrstühlen. Als sie nicht dranging und sich nur die Mailbox meldete, drehte er sofort um und fuhr in die Friedrichstraße zurück. Zu spät. Eine Minute. Seine Tür war aufgebrochen, die Zimmer leer. Götz setzte sich auf sein Sofa, mit dessen Ratenzahlungen er genauso in Verzug war wie mit denen für den Rest der Einrichtung, und überlegte, wie er jetzt vorgehen sollte. Er musste die Einsatzzentrale verständigen. Doch wenn er das tat, würde Steuer ihn abziehen. Er würde nicht nur seinen Fall, sondern seine gesamte berufliche Existenz verlieren, weil er sich eigenmächtig über die höchsten Befehle hinweggesetzt und eine Verdächtige der polizeilichen Kontrolle entzogen hatte.
    Das Handy, das vor ihm auf dem Glastisch vibrierte, zeigte einen eingehenden Anruf an. Die Einsatzzentrale. Steuer.
    Sie suchten schon nach ihm.
    Götz traf eine Entscheidung. Er hatte keine andere Wahl.

5.
    Die wahre Hölle befand sich nur wenige Schritte entfernt. Der kurze Weg, den Ira auf klapprigen Beinen zurücklegte, endete nach vier Metern durch die unappetitliche Küche in einem Hinterzimmer der Kneipe.
    »Haben Sie sich nicht schon oft gewundert, wie diese vielen kleinen Läden in der Stadt überhaupt überleben können?«, wollte Schuwalow wissen, während er einen achtstelligen Nummerncode in die Tastatur neben einer Aluminiumtür tippte. Ira hörte ein hydraulisches Zischen, gefolgt von dem Klacken des sich öffnenden Schlosses.

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