Amore macchiato: Roman (German Edition)
Familienvaters zu erreichen. Mit Karriereambitionen natürlich. Meine Karriere wäre damit vorbei gewesen. Natürlich.
Wenn Herr Schrader allerdings so weitermacht, ist meine Karriere bald auch ohne Kind im Eimer.
»Um welchen Summenfehler geht es denn?«, frage ich meinen Chef.
Herr Bräunlich faselt irgendetwas von Dollarzeichen, die ich in Excel-Formeln hätte einbauen müssen, damit sich nicht irgendwelche Werte verschieben. Ich kann ihm nicht ganz folgen, bin mir aber sicher, dass die Endergebnisse trotzdem stimmen. Die habe ich nämlich auf einer anderen Liste zusammengetragen.
Vor Wut klopft mir das Herz bis zum Hals, und ich bekomme heiße Wangen.
»Ich warne Sie«, höre ich Herrn Bräunlich sagen, »ich will, dass Sie in solchen Dingen gewissenhafter werden. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
»Ja«, sage ich.
Stille.
»Und sonst so?«, fragt Herr Bräunlich. »Wie laufen die Vorbereitungen für den Dakar?«
»Alles bestens«, lüge ich. Jetzt bloß keine Schwäche zeigen.
»Na, wenigstens etwas«, mosert Herr Bräunlich, wünscht mir noch einen erfolgreichen Tag und legt auf.
Um mich herum immer noch die Stille der Landschaft. An das Heck des Wagens gelehnt steht Enzo und raucht gedankenverloren Kringel in die Luft. Eine gleichmütige Schafkuh zieht mit zwei weißen Lämmern an mir vorbei und beginnt direkt neben mir zu grasen. Die Schäfchen hoppeln stolpernd und meckernd hinter ihrer Mama her, um sich im nächsten Moment unter ihr Euter zu hängen und zufrieden zu saugen.
Die Situation ist so surreal, dass sie fast lustig wäre, wäre sie nicht so schlimm.
Ich ziehe die ruinierten Sandalen aus und wische meine Füße halbwegs im Gras ab. Dann greife ich wieder zum Handy und rufe die Eventagentur in München an, die regelmäßig Großevents für GID im In- und Ausland organisiert.
»Fireagency, Stahl. Was kann ich für Sie tun?«
Paula ist dran. Die Einzige, die mir jetzt noch helfen kann. Hoffentlich!
»Paula, hier ist Annika, guten Morgen.«
»Hey! Wie geht’s. Wie läuft’s?«
»Die Zelte sind nicht da.«
Erschrockenes Schweigen. Schließlich: »Wie bitte?«
»Paula, ich stehe hier vor einem leeren Partygelände. Es ist kein einziges Zelt aufgebaut. Hier ist niemand.«
Entsetztes Prusten. »Moment. Ganz ruhig.« Die pragmatische Paula tritt auf den Plan. »Hmmm. Bist du sicher, an der richtigen Adresse zu sein?«
»Wenn man hier von Adresse sprechen kann: ja«, antworte ich. »Ich habe sogar die Geländefotos dabei. Ich bin hier definitiv richtig. Leider«, füge ich hinzu.
»Stehen da keine Lieferwagen?«, fragt Paula leise.
»Nein.«
»Nicht mal ein paar Container?«
»Auch nicht.«
»Die Bühnenbauer?«, kommt die nächste absurde Frage.
»Nichts«, flüstere ich zurück.
»Ich drehe durch«, haucht Paula verzweifelt.
Ein paar Sekunden vergehen.
»Verdammt, ich habe von Anfang an gesagt, ein Event in Italien durchzuführen, ist nicht handlebar «, schimpft sie drauflos. »Ich habe doch gleich gesagt, in Mallorca wäre …«
»Nun sind wir aber hier«, unterbreche ich sie. Langsam steigt Panik in mir hoch. Ich merke, dass Paula auch nicht im Bilde darüber ist, was hier passiert. Oder vielmehr, was hier nicht passiert. »Wir haben noch vierzehn Tage Zeit und müssen versuchen zu retten, was zu retten ist. Also …« Ich denke nach. »Als Erstes müssen wir herausfinden, wo die Zelte abgeblieben sind«, sage ich. »Hast du mal eben die Kontaktdaten der Spedition für mich, ich möchte dort hinfahren.«
»Jaaa, Moment …« Ich höre Paula hastig durch Papiere wühlen. »Hier. Trasporti Soru Sardegna . Die haben ihren Sitz im Gewerbegebiet von Olbia.« Sie diktiert mir eine Adresse samt Telefonnummer.
»Ich versuche in der Zwischenzeit, unsere Partneragentur in Italien zu erreichen, die die Spedition beauftragt hat«, fährt Paula fort. »Als Nächstes spreche ich mit meinem Chef, damit ich so schnell wie möglich nach Sardinien fliegen kann, anstatt erst nächste Woche, okay?«
»Das wäre prima«, stimme ich schwach zu. »Hier gibt es doch ein bisschen mehr zu tun als erwartet.«
3.
Das Industriegebiet von Olbia ist ein riesiges, von kastenförmigen Lagerhallen gesäumtes Areal langgezogener, auf dem Reißbrett entworfener Straßenfluchten. Kein Mensch weit und breit, nur ein paar Lastwagen fahren hier und da entlang.
Enzo fingert wie gewohnt ratlos auf dem Display seines Navis herum und schaut aufgeregt nach links und rechts. Ich beobachte ihn
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