Amore macchiato: Roman (German Edition)
einen Werkzeugkasten auf der Mauer vor ihm ab.
Jetzt oder nie.
»Riccardo!«, rufe ich zu ihm hoch.
Wie schon bei ihm zu Hause auf dem Hof erstarrt er für einen Moment, als er mich bemerkt.
Jetzt nur keine Chance verstreichen lassen.
»Die E-Mail war nicht von mir!«, platze ich heraus.
Er lacht bitter und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Geh nur zu deinem fähigen Hengst mit dem Herpes«, ruft er zurück, eilt schnellen Schrittes zurück in die Wetterstation und knallt die Tür hinter sich zu.
Wieso Herpes? Was soll denn das jetzt schon wieder?
Erschrocken bleibe ich stehen. Ich stütze mich kurz mit den Händen auf den Knien ab, um zu Atem zu kommen, und schaue wieder hinab ins Tal.
Die Rauchfahne ist deutlich größer geworden. Komisch, ich habe sie doch erst vor einer Minute entdeckt, und schon …
Macht nichts, ist weit weg, außerdem habe ich für so etwas jetzt keine Zeit. Da oben wartet eine viel größere Herausforderung auf mich. Weiter geht’s.
Nach ein paar Schritten werfe ich erneut verstohlen einen Blick über die Schulter und schreie vor Schreck laut auf. Ein Feuer arbeitet sich den Berg entlang, sowohl in die Höhe als auch in die Breite. Mit bloßem Auge kann ich die Flammen sehen, die offenbar schneller vorankommen als ich hier oben zu Fuß. Auch der Rauch kommt näher, die ersten Schwaden erreichen bereits das kleine Plateau, auf dem Riccardo und ich geparkt haben.
Unwillkürlich fange ich an zu rennen.
»Hilfe, Riccardo!« brülle ich. Es sind noch ungefähr zwanzig Höhenmeter bis zum Haus. Der Rauch hat mich fast eingeholt.
»Riccardo! Hilf mir!« schreie ich noch mal.
Erneut wird die kleine Hütte geöffnet, Riccardo steht in der Tür.
»Annika«, brüllt er, als er mich sieht, »um Himmels willen, du musst weglaufen!«
»Die Mail an dich war nicht von mir!«, brülle ich verzweifelt.
»Annika, weg da! Renn zur Seite! Nicht höher kommen, lauf zur Seite!«
Mit beiden Armen wild gestikulierend deutet er Richtung Meerseite.
Ich verlasse gehorsam meinen Pfad und renne nach rechts, um auf die andere Bergseite zu gelangen. Die ersten Rauchschwaden erreichen mich. Ich muss heftig husten, und meine Augen tränen, während ich durch die flache Macchia renne und renne. Entfernt nehme ich die Schmerzen an den wohl schon verkratzten Beinen war.
Da stolpere ich über eine Wurzel, falle hin, spüre einen stechenden Schmerz in meiner rechten Hand, rappele mich auf und renne weiter. Ständig begleitet von dem offiziersartigen Gebrüll, das Riccardo oben auf dem Gipfel von sich gibt.
» Avanti , Annika, um den Berg herum, lauf zur fascia taglia fuoco .«
Brav laufe ich zum Feuerschnitt. Was immer das sein soll.
Wieder falle ich hin, wieder rappele ich mich auf und stolpere hastig weiter. Inzwischen muss ich ein gutes Stück geschafft haben, denn der Rauch hat nachgelassen. Der vom Meer kommende Wind trägt den Qualm von mir weg, sodass ich wenigstens halbwegs atmen kann.
Mit zusammengebissenen Zähnen springe ich weiter über Büsche und hohes Gras. Pflanzen reißen mir die Haut an den Beinen auf, meine Hand schmerzt bei jedem Sprung unermesslich, irgendwo verliere ich einen Schuh und laufe dennoch weiter.
Plötzlich endet die Macchiavegetation. Ich stehe auf einem mehrere Meter breiten Sandstreifen, der sich vom Tal bis zum Gipfel zieht, als hätte jemand mit einem Rasierer einen geraden Cut durch die sonst wild bewachsene Mähne gezogen.
Die fascia taglia fuoco.
Von oben kommt, halb laufend, halb rutschend, Riccardo zu mir herabgeschossen, wie bei einer Schlittenfahrt. Sand wirbelt auf, Schotter kullert an mir vorbei. Als er mich erreicht, packt er mich und zerrt mich auf der anderen Seite des Sandstreifens zu Boden.
»Hab ich dich«, sagt er keuchend und reibt sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Hier bist du in Sicherheit.«
Ich liege halb auf ihm und sage gar nichts. Dann spüre ich in meine Arme und Beine hinein, um zu verstehen, was noch dran ist und wo ich verletzt bin. Die Schmerzen sind überwältigend. Ich ziehe die Hand hinter Riccardos Taille hervor. Der Daumen ist bereits stark geschwollen, die Handfläche blutet.
Vorsichtig richtet mich Riccardo auf. Ich stöhne vor Schmerzen auf.
»Was machst du denn für Sachen?«, flüstert er.
»Die E-Mail war nicht von mir, ich schwöre es dir«, stammele ich. »Ein Kollege hat sich in meinen Account eingeloggt und …«
»Psst, sprich jetzt nicht«, sagt Riccardo. »Ich rufe dir einen Krankenwagen.«
Während er
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