Amore macchiato: Roman (German Edition)
dabei regungslos, unfähig, auch nur einen Finger zu heben. Wilde Gedanken schießen mir durch den Kopf. Wie kann es sein, dass der Aufbau noch nicht begonnen hat, und vor allem: Warum haben wir nichts davon gewusst? Hat die Fireagency oder konkret Paula die Abläufe bei ihren vielen Unteragenturen und Zulieferern etwa nicht kontrolliert? Mir hat man immer gesagt, die Arbeiten liefen genau nach Plan. Als Kundin muss ich mich doch auf meine Eventagentur verlassen könne, die von sich behauptet, alle Fäden in der Hand zu halten, oder nicht?
Enzo kommt vor einer grauen Halle zum Stehen, die aussieht wie alle anderen auch. Eine Handvoll Anhänger mit gelbem Soru -Logo parkt davor.
»Ich glaube, wir sind angekommen, signorina «, sagt er.
Schwerfällig steige ich aus. Die Maisonne steht hoch am Himmel, und der bereits heiße Asphalt brennt unter meinen blanken Füßen. Vielleicht hätten wir doch erst ins Hotel fahren und mir neue Schuhe holen sollen.
Vorsichtig, wie auf rohen Eiern, trippele ich zu dem Pförtnerhäuschen, das wie ein Tumor an die gigantisch große Lagerhalle gepappt ist. Drinnen sitzt ein gelangweilter, unrasierter Typ mit schlechten Zähnen und einem viel zu großen karierten Hemd, das ihm über die schmächtigen Schultern zu rutschen scheint. In Zeitlupentempo zieht er eine kleine Luke in der Scheibe auf, stützt sich auf die Unterarme und legt die Hände aneinander, um mir bereitwillig zu signalisieren, dass ich nun sprechen darf.
»Guten Tag«, sage ich so resolut wie möglich. »Ich erwarte eine dringende Lieferung für die GID Company von Ihrer Spedition.«
Mein Gegenüber zieht unmotiviert die Schultern hoch. »Da müssen Sie morgen wiederkommen.« sagt er.
»Morgen?« Will der mich veralbern? »Ich habe gerade gesagt, es sei dringend . Ich möchte bitte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen.«
Wieder gelangweiltes Schulterzucken, garniert mit einem Gesichtsausdruck wie bei der Schafkuh von vorhin. » Il tittolare – der Chef – ist in der Mittagspause. Danach ist siesta, und heute Nachmittag ist keine Bürozeit.«
Der Kerl weiß schon, weshalb er sicher verschanzt nur ein Sprechfensterchen aufgezogen hat. Wenn ich könnte, würde ich ihn am Schlafittchen über den Tresen ziehen und ihm den Hintern versohlen.
»In der Mittagspause. Gut«, versuche ich stattdessen ruhig zu bleiben. »Wo?«
» Come – wie?« Mein gelangweilter Gesprächspartner ist verdattert. Ein Hauch von Emotionen zieht über sein Gesicht.
»Ich möchte bitte wissen, wo Ihr Chef zu Mittag isst.«
» Signora , das … das …« Er windet sich wie ein gefangener Aal, so sehr scheint ihm mein Anliegen zu missfallen. »Das ist privacy . Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
Ich trete dicht an die Scheibe heran, stütze mich mit beiden Händen an das Glas und fixiere ihn so gebannt wie ein Pferdeflüsterer seinen zu kurierenden Gaul. »Signore «, sage ich ruhig, wobei ich ihm tief in die Augen schaue. »Es geht um so etwas wie Leben und Tod. Ich muss mit Ihrem Chef sprechen. Bitte sagen Sie mir jetzt, wo ich ihn finde.«
Die Bar dello Sport befindet sich an einer Straßenecke zwei Blöcke weiter. Ein geduckter, schäbiger ehemals weißer Pavillon mit gelben, leicht verwitterten Plastikstühlen und Tischen davor, an denen rund ein Dutzend grimmig dreinblickender Männer in Arbeiterkluft sitzen und rauchen, essen oder Kaffee trinken.
Enzo parkt die silberne Limousine am Straßenrand gegenüber, zwischen zerbeulten Lieferwagen, alten Kleinwagen und ein paar Motorrollern. Der Gestank von Fisch liegt in der Luft. Offenbar befindet sich die entsprechende Lagerhalle gleich nebenan. Die Gespräche der Männer verstummen, während ich immer noch barfuß in meinem dafür viel zu eleganten Etuikleid an der Gruppe vorbeitrippele.
Die Bar ist ein düsterer Raum mit einer langgezogenen Theke, hinter der ein Mann Mitte fünfzig mit einem schmuddeligen Lappen über die Arbeitsplatte wischt. Am Tresen stehen zwei Männer in orangefarbener Straßenarbeiterkluft, die in ihren Espressi herumrühren. Hinten an der Wand sitzt ein Kollege auf einem Barhocker, ebenfalls in Orange gekleidet, am Flipperautomat und lässt eintönige Dudelmusik durch den Raum schallen.
Ich wende mich an den barista , der mich neugierig, fast freundlich anguckt. »Entschuldigen Sie bitte«, sage ich höflich, »ich suche Herrn Pietro Soru. Der soll hier bei Ihnen zu Mittag essen.«
Der barista nickt wortlos und deutet mit dem Kopf zu einer Tür hinter der Theke. Die
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