Amore macchiato: Roman (German Edition)
Paula.
Die Einkaufssache kann ich ihr unmöglich erzählen. »Markus hat mir kürzlich im Job sehr geholfen«, flüstere ich daher nur.
»In Jobdingen hilft er dir, in Liebesdingen schadet er dir«, fasst Paula zusammen. »Du darfst dir aussuchen, was dir lieber ist.«
Ich starre auf die weiße Pappwand meines Arbeitsverschlages. Was ist mir wichtiger – mein Job oder Riccardo? Darf ich mich das überhaupt fragen, bei einem, den ich erst seit kurzer Zeit kenne, während ich seit Jahren diesen gut bezahlten und trotz allem recht sicheren Job innehabe? Mit Markus waren GID und Zweisamkeit vereinbar. Wäre die Sache mit Riccardo weitergegangen, hätte ich irgendwann eine Entscheidung treffen müssen. Oder Riccardo. Einfach wäre das weiß Gott nicht geworden. Selbst wenn es die große Liebe zwischen uns geblieben wäre: Riccardo hätte unmöglich zu mir in mein Kleinstadtkaff mit GID-Herrschaft ziehen können. Was hätte er dort tun sollen?
»Ich weiß es nicht«, seufze ich lahm, »ich bin gerade komplett durcheinander.«
»Dann lasse ich dich jetzt mal alleine«, sagt Paula sanft und steht auf. »Nimm dir Zeit, ich werfe den Laden heute Nachmittag mit dem Verkäufer- und Endkonsumentenvolk auch ohne dich.«
Ich bin wieder in der kleinen, einsamen Bucht, in der ich Riccardo zum ersten Mal gesehen habe. Passenderweise mit einem nagelneuen Dakar, den ich mir kurzerhand vom Shuttle-Service-Fuhrpark geborgt habe und der mir auf der sandigen Buckelpiste zum Meer genauso gute Dienste erwiesen hat, wie es die Werbung verspricht.
Dieses Mal habe ich sogar einen Badeanzug dabei und versichere mich, bevor ich schwimmen gehe, dass dort auch wirklich niemand herumschnorchelt. Ich tauche den Kopf tief unter Wasser, als würde das meine Gedanken durchspülen.
Was soll ich denn jetzt bloß machen?
Ich könnte die Sache einfach auf sich beruhen lassen, das Projekt hier zu Ende bringen und in den Schoß des Unternehmens zurückkehren. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich offenbar Frieden mit Bräunlich geschlossen und vielleicht sogar so etwas wie seine Anerkennung gewonnen. Durch ein gefälschtes Dokument, mit dem mein Exfreund einen Fehler, der mir tatsächlich passiert ist, ausgebügelt hat. Ganz schön dünnes Eis. Aber was will ich von einem Exfreund, mit dem es bereits einmal schiefgegangen ist und der mir auf die mieseste Art und Weise etwas zerstört hat, was gerade erst begonnen hat? Gar nichts.
Kurz entschlossen schwimme ich zurück ans Ufer, krame mein Telefon aus der Strandtasche und rufe Paula an.
»Ja?«, antwortet sie fröhlich. Im Hintergrund dröhnt lärmende Bühnenaktivität rund um den neuen Dakar und was man nicht alles Tolles damit anstellen kann.
»Sag mal«, beginne ich, »wie hat Riccardo eigentlich reagiert, als du darauf beharrt hast, dass die E-Mail nicht von mir gewesen sein kann?«
»Er war schwer verunsichert, wie wir alle«, antwortet sie. »Er wirkte enorm traurig und irgendwie auch beschämt, der Arme«, fügt sie hinzu. »Ich hatte mehrfach Angst, er würde auf den Gängen des Rathauses in Tränen ausbrechen.«
»Hm«, sage ich.
»Er hat immer wieder auf seinem Handy die E-Mail geöffnet und Enzo und mich ratlos angeschaut«, berichtet Paula weiter. »Mehr kann ich dir dazu leider nicht erzählen. Ich würde sagen, nun liegt es an dir …«
»Hm«, sage ich wieder. »Danke. Dann will ich mal weiter nachdenken.«
»Mach das, Annika«, sagt Paula. »Ich hoffe, ich sehe dich nicht zum Abendessen.« Sie legt gut gelaunt auf.
Dass Riccardo vor Paula kurz davor war, in Tränen auszubrechen, rührt mich. So habe ich ihn kennengelernt. Ein offener Mensch, immer ehrlich. Einfach authentisch.
Eigentlich etwas, das mir in meinem GID-Leben gar nicht mehr begegnet, wo jeder nur versucht, sich mit allen Mitteln ins beste Licht zu rücken und andere zu übertrumpfen. Immer mit der Angst im Nacken, eines Tages selbst übertölpelt zu werden. Wenn man nicht gerade betrunken und mental völlig am Boden ist, wie Bräunlich gestern, und dann für einen Moment die Hosen herunterlässt und ehrlich redet. Nur: Wie oft kommt so was schon vor?
Ich will in dieses Haifischbecken gar nicht mehr zurück.
Das ist nicht das Leben, das ich führen will. Allein bei dem Gedanken schüttelt es mich innerlich.
Ich möchte was Neues machen. Irgendetwas, wofür mir die Rentenkasse ratlose Briefe schreiben wird. Etwas, wonach das Einwohnermeldeamt nicht mehr weiß, wo ich bin, und ich die Krankenkasse mit
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