Amore macchiato: Roman (German Edition)
irgendwelchen ausländischen Belegen zuwerfe, die sie nicht bezahlen wollen.
Ich will in den Tag hineinleben und noch mal von vorne anfangen. Womit, weiß ich noch nicht.
Aber ich möchte es mit Riccardo tun.
Kurz entschlossen stehe ich auf, ziehe mich an und eile zu meinem Auto. Nein, ich werde ihn jetzt nicht anrufen. Zu groß ist die Angst, dass er nicht abnimmt. Ich werde ihn im Rathaus stellen, so, wie es Paula getan hat. Vor seinen Kollegen kann er mich nicht davonjagen, so wie auf seinem Hof.
Ich steige ein, starte eilig den Motor und gebe Vollgas. Ich rase nach Siniscola, wie es meinem sonst so defensiven Fahrstil nicht entspricht.
Die Stadt erwacht gerade von ihrer Siesta. In ein paar Geschäften werden die Fensterläden hochgezogen, an einem Blumenladen gerade ein paar Pflanzen als Kundenlockvögel vor die Tür gestellt.
Wie von Sinnen heize ich durch den Ort, hupe ein paar Hausfrauen in Puschen zur Seite, die so lahm über die Straße schlendern, als hätten sie nichts Besseres zu tun, und komme im Halteverbot direkt vor dem Rathaus zum Stehen. Ich springe die Stufen in den zweiten Stock hinauf und klopfe an die Bürotür von Riccardos Kollegen Massimo, wo ich schon einmal stand, bevor alles begann.
»Ah, wieder eine hübsche Deutsche. Bestimmt für Riccardo. Kommt ihr jetzt täglich vorbei?«, scherzt er, als ich sein Büro betrete und er mich erkennt.
»Wenn es sein muss, ja«, sage ich resolut. »Könnten Sie mir bitte sagen, wo ich ihn finde?«
»Der ist außer Haus, signorina «, antwortet Massimo und greift nach einer Mappe mit ein paar abgehefteten Tabellen und handschriftlichen Einträgen. »Signor Pittu ist heute in Posada in der Wetterstation. Er repariert dort ein paar Messgeräte – auch wenn es in diesen Monaten keinen Niederschlag zu messen gibt«, fügt er hinzu.
»Könnten Sie mir den Weg erklären?«, bitte ich ihn.
Vor der Tür setze ich mich auf eine Bank und beobachte für einen Moment das Treiben um mich herum. Ich möchte es jetzt tun, ganz egal, wie mein Gespräch mit Riccardo ausgeht. Ich will klare Verhältnisse.
Ich rufe Markus an, der sofort am Apparat ist.
»GID Company, Schrader«, meldet er sich so professionell multinational, dass er sogar seinen Nachnamen amerikanisch ausspricht.
»Hallo, Markus«, sage ich.
»Hey, Annika, na, wie läuft’s?«
»Du hast eine Vergabeempfehlung für mich gefälscht«, komme ich direkt zur Sache.
»Na ja, so kann man es nicht … Annika, ich kann gerade nicht frei … Kann ich dich heute Abend anrufen?«, windet er sich wie ein Aal.
»Du hast ein Formular für mich abgeändert und es dem Einkauf untergeschoben, um mir in der Speditionssache aus der Patsche zu helfen, und mich so vor Bräunlichs Abmahnung gerettet«, wiederhole ich, »aber ich möchte das nicht.«
»Hä?« Ich kann sein Erstaunen praktisch mit den Händen greifen. »Was meinst du damit?«
»Es ist nicht in Ordnung, dass du Dinge hinbiegst und zurechtfälschst, wie sie dir am besten in den Kram passen«, erkläre ich. »Ich will mit diesem verlogenen Weg, den du da gehst, nichts zu tun haben.«
»Was soll das jetzt, ich …«
»Was das soll?« Jetzt werde ich laut. »Ich weiß nicht genau, was du noch oder wieder von mir willst, Markus, aber spätestens mit der E-Mail an Riccardo bist du Meilen zu weit gegangen.« Weil sich ein paar Passanten zu mir umdrehen, merke ich, dass ich gerade gebrüllt habe.
»Hey, Annika«, kommt nun ganz der cool zurechtgecoachte Markus wieder zum Vorschein, »lass uns das in Ruhe besprechen, wenn du wieder da …«
»Besprechen?«, schreie ich weiter, »was gibt es bei deinen miesen Touren und egoistischen Aktionen denn bitte zu besprechen? Nichts! Lass mich bitte ein für alle Mal in Ruhe. Ich hoffe«, füge ich mit plötzlich ruhiger Stimme hinzu, »aus tiefstem Herzen, dass ich dich nie wiedersehe.«
Bevor er darauf antworten kann, lege ich auf.
Ich zittere am ganzen Körper, bin aber im Kopf so klar wie selten zuvor.
Als Nächstes rufe ich meinen Chef an und habe prompt Glück. Auch er ist sofort am Apparat.
»Guten Tag, Herr Bräunlich«, beginne ich geschäftig und lasse ihn erst gar nicht zu Wort kommen, »ich möchte mich zu dem Papier äußern, über das wir gestern gesprochen haben: Es stammt nicht von mir. Es ist eine Fälschung. Ich habe nie eine Vergabeempfehlung für den Speditionsauftrag geschrieben. Ich hatte es damals vergessen und einen Fehler gemacht, ohne mir dabei irgendeiner Schuld bewusst zu sein.
Weitere Kostenlose Bücher