Amore macchiato: Roman (German Edition)
Schlimmerem bewahrt. Dabei hat er viel riskiert, und das nur für mich.
Ich verlasse mein Bürokabuff und marschiere in die Cateringküche, wo das Personal gerade zusammenräumt, die letzten Gläser poliert und wegräumt.
»Ist noch eine Flasche offen?«, frage ich eine dicke, kleine Sardin, die gerade mit dem Besen durch die Küche wirbelt.
Sie nickt und lächelt. »Da hinten im Kühlschrank, bella . In der Loungeecke der capi importanti – der wichtigen Bosse – sind heute viele schöne Sachen geöffnet, aber nicht ausgetrunken worden.«
Ich nehme mir eine Flasche edelsten Champagner aus dem Kühlschrank, schnappe mir ein Glas aus dem Geschirrkorb und sende einen mentalen Stinkefinger an Herrn Schwartze. Vielleicht werde ich das Etikett von der Flasche trennen und es ihm zu Hause mit Pattex an den Monitor kleben. Oder noch besser: mitten auf die Windschutzscheibe seines samstäglich gewienerten Autos.
Schon auf dem Rückweg in mein Büro habe ich ein halbes Glas Champagner intus. Ich lasse mich in den Bürostuhl sinken und greife erneut nach dem unheimlichen Dokument auf meinem Tisch.
Unfassbar!
Markus hat mir den Hals gerettet. Vielleicht sogar den Job. Bräunlich hat mich für meine gute Arbeit gelobt und sogar Reue für sein Verhalten gezeigt.
Ich schenke mir noch ein Gläschen ein.
Ja, ich habe es verdient, auch mal Glück zu haben. Klar, mir ist ein dicker Fehler passiert. Aber der ist nun aus der Welt geschafft … oder vielmehr aus der Welt gefälscht. Nach mir die Sintflut! Nun will ich weiter Karriere machen bei GID. Alle sollen wissen, dass ich das Millionen-Launch-Projekt für den Dakar organisiert habe. Ich ganz allein. Nur mit ein paar Bauern auf dem Schachbrett um mich herum.
Ich bin die Größte.
Und die Einsamste.
Drittes Glas her.
Riccardo fehlt mir. Mich hat noch nie ein Mensch auf Anhieb so fasziniert wie er, und dann schießt er mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel ab. Niemals hätte ich das gedacht, und ich verstehe es immer noch nicht. Wenn ich nur daran denke, bricht es mir erneut mit lautem Knacken das Herz.
Ich trinke einen großen Schluck.
Stattdessen rettet mich mein Exfreund aus einer ganz miesen Situation. Ausgerechnet Markus, den ich vor einigen Monaten für ihn ebenso überraschend abserviert habe. Was allerdings eher an ihm lag, weil er die subtilen Zeichen davor nicht verstanden hat. Nichtsdestotrotz: Für ihn kam es überraschend.
Auf dem Blatt vor mir vermehren sich inzwischen die Nullen. Die gedruckten zweihundertfünfundzwanzigtausend Euro verschwimmen erst zu Millionen und dann zu Milliarden. Mein Kopf dreht sich, meine Arme werden schwer.
Umständlich fingere ich nach meinem Handy und wähle Enzos Nummer. Nach acht Mal Klingeln meldet er sich mit verschlafener Stimme.
»Feierabend, nun auch für mich«, sage ich, »Bitte holen Sie mich ab, ich möchte ins Hotel.«
22.
Heute ist der erste Tag, an dem auch Endkonsumenten aus ganz Europa zu unserer Präsentation zugelassen sind. Einigen davon bezahlen wir sogar Flug und Unterkunft, die meisten kommen jedoch auf eigene Kosten aus Neugierde und weil sie sich gebauchpinselt fühlen, zu diesem exklusiven Event eingeladen zu sein. Das sind in fünfundneunzig Prozent der Fälle Männer. Männer, die sich ein Auto im hohen fünf- oder gar sechsstelligen Bereich leisten können, sich dann aber auf der Jagd nach Ansteckern, Schirmmützen und Freibier benehmen wie ausgehungerte Wölfe nach einem langen Winter. Immerhin können die Hostessen aufatmen, was ihre nackten Rücken anbetrifft: Endkonsumenten sind in der Regel mit ihren Partnerinnen eingeladen, und die passen gut auf ihre Männer auf. Zwar haben Ehefrauen bei der Wahl des Familien-Pkws nicht viel zu melden (das hat unsere Marktforschung belegt), können im Ernstfall aber zum Risiko beim Geschäftsabschluss werden, wenn sie nicht entsprechend mit Kaltgetränken, Blumen und Komplimenten hofiert werden. Aber darauf sind wir vorbereitet.
Nicht umsonst habe ich mich heute früh schon um acht mit einigen Hostessen zum Tagesbriefing zusammengesetzt, um die heutige Schlacht zu besprechen.
Die ersten Interessenten treffen gegen zehn Uhr ein und lassen sich mit Espresso und einem späten zweiten Frühstück bei Laune halten. Ein Pianist klimpert live gemächliche Klaviermusik, die Stimmung ist gut. Der einzige kurze Unruheherd entsteht in einem Seitenzelt, wo eine Hostess heimlich zwei besonders charmante Besucher mit einer Dakar-gebrandeten Regenjacke beschenkt.
Weitere Kostenlose Bücher