Amore macchiato: Roman (German Edition)
Herrn Schrader als Assistenten«, versuche ich, meinen Chef über den Abschied hinwegzutrösten.
»Ja, der Herr Schrader …«, Bräunlich zögert, »diese jungen Ambitionierten von heute setzen sich sehr hohe Karriereziele.«
Genau, Schrader will deinen Stuhl, denke ich. Ob Bräunlich das ahnt?
»Da müssen wir Alteingesessenen uns teilweise ganz schön umgucken«, fährt er fort. »Das haben wir ja heute bei Frau Weißensee gesehen.«
Ja, er ahnt etwas. Die guten alten Zeiten gibt es in der Tat nicht mehr.
»Hm«, murmele ich, um mal wieder etwas zu sagen, »so ist das …«
Bräunlichs allzu menschlicher Gefühlsausbruch irritiert mich mehr, als dass er mich rühren würde. Ich möchte ihn loswerden. Soll er doch alleine weiterpicheln und rauchen in seinem nun vorzimmerdamenfreien Büro.
»Sagen Sie, Herr Bräunlich«, setze ich vorsichtig an, »könnten Sie mir die Vergabeempfehlung für den Speditionsauftrag bitte noch mal für meine Unterlagen zuschicken? Ich habe das Papier gerade gar nicht zur Hand«, manövriere ich herum. »Würden Sie es mir kurz faxen?«
»Jaja«, Bräunlich klingt abwesend. Wer weiß, was er auf seine alten Tage raucht? »Ich habe den Scan per Mail bekommen und leite Ihnen die Datei gleich weiter.«
Ich höre ihn mit der Maus herumklicken.
»Okay, vielen Dank«, erwidere ich in einem Ton, mit dem man in der Regel Telefonate beendet. »Dann würde ich mal sagen, Herr Bräunlich, Ihnen noch einen schönen Abend?«
»Ja, Frau Herrmann. Danke sehr, auf Wiederhören.«
Er legt auf. Wenigstens hat er mir keinen schönen Abend gewünscht, sonst wäre ich wohl endgültig aus allen Wolken gefallen.
Ich lege das Telefon beiseite, drücke auf den Ein-Knopf meines Rechners und lehne mich abwartend zurück.
Wann und wo habe ich bitte diese Vergabeempfehlung geschrieben, die mich in der Sache offenbar gerettet hat? Ich kann mich an nichts erinnern. In der Tat: Ich habe es damals mit niemandem großartig besprochen, als ich Soru auf die Empfehlung der Fireagency hin den Transportauftrag gegeben habe. Das muss irgendwie im Tagesgeschäft untergegangen sein. Über den Rahmenvertrag mit Schleyer habe ich nicht weiter nachgedacht, als mir die Fireagency erklärt hat, dass nur Soru in der Lage sei, im Hafen von Olbia die Abfertigung der zig eingehenden Pkws zu regeln.
Ich öffne mein Postfach. Bräunlich hat Wort gehalten. Seine Mail ist schon da. Kommentarlos hat er mir die Mail von einer Sachbearbeiterin aus dem Einkauf weitergeleitet, die ihn heute Mittag erst auf die Existenz des Dokuments aufmerksam gemacht hat. Ich drucke mir den Anhang aus und beuge mich neugierig darüber.
Das Formular aus dem Januar enthält den knappen Satz »Exklusivvergabe an diesen Anbieter, da Beschaffenheit und Form der Ware den GID-Vorgaben entsprechen, was die Wettbewerber in dieser Form nicht leisten können.«
Ich stutze. Der Satz kommt mir bekannt vor, den habe ich tatsächlich mal geschrieben. Aber nicht im Zusammenhang mit dem Spediteur. Ich denke nach und betrachte das Papier genauer.
Ja genau, vor einem halben Jahr hatte ich Probleme mit einem Auftrag für Druckkugelschreiber samt Beschriftung, die wir mit dem Logo des neuen Dakar versehen wollten. Weil das Aussehen des Wagens damals noch streng geheim war, wollten wir einen Lieferanten aus der Stadt beauftragen, bei dem wir sicher sein konnten, dass das Logo in seinen Mauern blieb. Nicht dass ein Anbieter womöglich in China produzieren ließ und wir keine Kontrolle mehr über unsere Markenneuheit hatten. Der ganze Auftrag belief sich lediglich auf fünftausend Euro, und natürlich hatte Bräunlich ihn genehmigt.
Nun liegt eben diese Vergabeempfehlung vor mir, allerdings im Wert marginal auf zweihundertfünfundzwanzigtausend Euro erhöht. Es besteht kein Zweifel: Jemand hat das Kuli-Original-Papier genommen und es, sagen wir, »ergänzt«. An den Preis wurde vorne einfach eine Zweiundzwanzig angefügt, aus der Überschrift »Beschaffung von Werbemitteln« wurde »Transport und Beschaffung von Werbemitteln, Pkw, Eventzubehör«. Geschickt gemacht. Selbst bei genauestem Betrachten kann man keine Unregelmäßigkeiten im Schriftbild erkennen. Da muss jemand lange mit dem Drucker herumexperimentiert haben, um die Ergänzungen genau dort hinzusetzen, wo er sie haben wollte.
Das kann nur Markus gewesen sein.
Puh.
Ich springe auf und laufe aufgeregt durchs Zimmer.
Markus hat mich gerettet. Er hat Wort gehalten und mich vor einer Abmahnung oder gar
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