Amore siciliano
entschieden, von der Mehrzahl der Höfe nur kurze Impressionen zu zeigen und einen oder zwei herauszusuchen, die eine spannende Geschichte oder Besonderheit zu bieten hatten. Diese sollten dann ausführlicher erzählt werden und den roten Faden des Films bilden.
»Warum nehmen wir dafür nicht den Hof der de Vivos, immerhin wohnen wir dort?«, schlug Ole vor, während wir auf den nächsten Hof, Nasita, zurollten.
»Und was soll an unserem Hof das Besondere sein, das den Rahmen bildet? Oliven sind nicht gerade außergewöhnlich,und ihn zu nehmen, nur weil das Gebäude früher einmal der Landsitz einer adligen Familie war, ist nicht gerade originell«, kritisierte Malte.
»Ich dachte, wir wollten auch Porträts von den Familien machen, die auf den Agriturismi leben, und ihre jeweiligen Traditionen vergleichen?«, wunderte ich mich. »Dabei können wir uns doch nicht auf einen oder zwei Höfe beschränken?«
»Wie wa det Ganze aufziehen, is meine Sache«, meinte Dieter. »Konzeptionelle Änderungen behalt ich mir vor.«
Na, das konnte ja heiter werden. Offenbar stand noch gar nicht genau fest, wie das Thema präsentiert werden sollte. Ich war gespannt, wie es mit unserem Projekt weitergehen würde.
Der Agriturimo Nasita unterschied sich kaum von Nuciara. Der Hof war einen Hektar kleiner und lag in der Via Cesare Battisti, nur einen Kilometer vom Meer entfernt.
»Die Küste Siziliens soll nicht überall so schön sein wie hier im Osten«, meinte Ole. »Badestrände sind an der Westküste sogar rar gesät.«
»Ist sowieso zu kalt zum Baden«, erwiderte Malte. »Weiß gar nicht, wieso immer behauptet wird, in Italien sei es so sonnig. Ich könnte schwören, dass heute Morgen Reif auf den Bäumen lag.«
»Das liegt daran, dass das Mittelmeer nach den Wintermonaten so lange braucht, um sich wieder zu erwärmen«, widersprach ich. »Ab Juli oder August kann man dann locker bis Weihnachten schwimmen gehen.«
Das hatte Paolo uns gestern erzählt. Er hatte auch erzählt,dass aus einigen Großstädten immer noch Abwässer direkt in die Flüsse und damit ins Meer geleitet würden, doch das erzählte ich lieber nicht. Malte war irgendwie nicht gut auf dieses Land zu sprechen. Er brauchte wohl noch ein bisschen Zeit, um sich an Klima und Leute zu gewöhnen. Ich hingegen war von Stunde zu Stunde begeisterter. Natürlich war ich als Kind schon einmal in Italien gewesen, aber als Erwachsener sah man ein Land dann doch mit ganz anderen Augen.
Auf Nasita wurde vor allem Marmelade produziert. Außerdem gab es eine kleine Keramikmanufaktur und neben den üblichen Olivenbäumen einen riesigen Gemüsegarten. Nasita und Nuciara teilten sich mit mehreren Nachbarhöfen eine große Ölmühle.
In den Gemüsegärten sahen wir Gäste bei der Ernte der frühen Erdbeeren, andere säten gegenüber Karotten aus. Ole machte einige Fotos von dieser idyllischen Szenerie, während Dieter den Hofeigner nach Problemen im Anbau, Naturkatastrophen und Nachbarschaftsstreits ausfragte.
Es war ein schöner Hof, das Hauptgebäude stammte aus dem 9. Jahrhundert und stand unter tutela dei monumenti, Denkmalschutz, aber eine Katastrophe hatte hier nie stattgefunden. Und selbst in Krisen- und Kriegszeiten hatte die Familie, die den Betrieb seit Jahrhunderten führte, nie Hunger gelitten. Nasita barg keine dunkle Vergangenheit. Der Frust bei Dieter wuchs sichtbar. Er suchte mittlerweile intensiv nach Anhaltspunkten, um seinen Film spannender aufziehen zu können. Ich verstand nicht, warum; ich erwartete mir von einem Dokumentarfilmnicht in erster Linie Spannung. Für mich wäre das Wichtigste die sachliche Herausarbeitung der Kernthese, nämlich: dass der ökologische Anbau nicht nur aus ökologischen und moralischen Gründen die Technologie der Zukunft war, sondern nicht zuletzt aus wirtschaftlicher Sicht. Denn die Eigner der Agriturismi verdienten gutes Geld mit dem, was sie taten.
Ich bemühte mich um bessere Stimmung, indem ich die anderen überredete, noch nach Messina hineinzufahren. Wir parkten in der Nähe des Hafens in der Viale della Libertà und gingen von dort durch die Via Giuseppe Garibaldi in die Stadt hinein. Nach einem langen Bummel durch die Gassen nahmen wir in einer gemütlichen Pasticceria in der Via Loggia dei Mercanti Platz und bestellten Espresso und cassata, eine sizilianische Spezialität, wie man uns sagte. Dieser Kuchen war mit Ricotta, Schokolade, kandierten Früchten und Likör gebacken und schmeckte genial. Ich ließ mir
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