Amore siciliano
gewesen, und daher war es eine Selbstverständlichkeit für ihn, nach dem Tod seines Freundes dessen Sohn zu unterstützen, damit die Olivenhaine im Familienbesitz bleiben konnten. Die Hauptarbeit aber verrichtete Paolo.
Ich ertappte mich dabei, wie mein Blick nicht nur bewundernd seine kräftigen Schultern und Arme entlangwanderte, sondern bald schon das Gesamtpaket musterte. Bislang hatte ich immer ein weniger sportliches Bild vom italienischen Mann gehabt. Italiener waren in meiner Vorstellung Genussmenschen mit einem außerordentlichen Charme, die gern lachten und feierten. Sie strahlten eine gewisse Grundentspanntheit aus, die im Gegensatz zur deutschen Gründlichkeit stand, einem dafür aber eine Art Urlaubsgefühl vermittelte.
Paolo aber schien hart zu arbeiten, sich oft zurückzuziehen und der Welt mit Skepsis und Ironie zu begegnen. Das entsprach so gar nicht meinem Klischee. Immerhin: Das Glas Wein am Abend ließ Paolo sicher auch nie ausfallen.
Wäre ich Singlefrau, wie zum Beispiel Simona, und hätte diesen Mann als Nachbarn – ich wäre sicher längst schwach geworden. Aber zum Glück hatte ich ja Malte.
Oles Räuspern riss mich aus meinen Gedanken.
»Alex?«
»Hm, was?«
»Träumst du? Ich habe gefragt, ob wir Dieter nicht vorschlagen sollten, für das Intro Aufnahmen vom Gipfel des Ätna zu machen, vorausgesetzt, das Wetter spielt mit.Immerhin ist er über dreitausend Meter hoch, da kann man, je nachdem, wie weit man raufkommt, einen Kameraschwenk über die halbe Insel machen.«
»Ja, äh, klar, wenn du meinst.«
Ole beschrieb seine Intro-Idee in mühsamem Englisch unserem Gastgeber, während ich meinen Blick in meinem Weinglas versenkte. Hoffentlich hatte keiner bemerkt, wie ich Paolo gerade gemustert hatte – das war ja mehr als peinlich. Ich war erst zwei Tage hier und schon im Begriff, mich danebenzubenehmen. Ich kramte nach meinen Zigaretten und ging vor die Tür, denn im Gegensatz zu einigen deutschen Bundesländern wurde das Rauchverbot in Italien schon seit 2005 streng durchgesetzt, hatte ich gelesen. Da brauchte ich gar nicht erst nach einem Aschenbecher zu fragen.
Der Regen hatte aufgehört, und die Nacht roch nach Meer, Blüten und Davidoff Gold. Ich blies den Rauch in die italienische Nacht und sah ihm nach, wie er zwischen den Zweigen eines Olivenbaumes emporstieg. Was für eine Romantik lag hier in der Luft. Ich war dabei, mich in diese Insel zu verlieben, und lächelte beim Gedanken an die vor mir liegenden Wochen. Kein wortkarger Giuseppe und kein misstrauischer Paolo würden mir meine Laune verderben können. Hoffentlich würde nun auch Malte bald merken, wie schön wir es hier hatten.
Gegen ein Uhr nachts verabschiedeten sich die beiden Nachbarn, und Michele schloss die Bar. So blieb auch Ole und mir nichts anderes übrig, als uns auf unsere Zimmer zurückzuziehen. Dabei hätte ich gern noch mehr vondem köstlichen Wein getrunken. Aber immerhin hatte sich die Stimmung zwischen uns und den Sizilianern noch gebessert. Paolo verabschiedete sich mit einem freundlichen »A presto!«, und ich hoffte, dass das Wiedersehen nicht allzu lange auf sich warten lassen würde.
Nun war ich mir sicher, dass ich die harten Schalen dieser Einsiedler schon knacken und nach Ende des Filmdrehs wesentlich mehr über Sizilien und die Sizilianer wissen würde als eine Touristin nach ihrem Badeurlaub.
Auf der Treppe zu den Zimmern stellte auch Ole fest: »Mann, das sind ja richtiggehende Aufnahmeprozesse, die man hier am Tresen durchmacht. Zuerst dachte ich, die würden sich nie mit uns unterhalten.«
»Ja«, nickte ich, »all’inizio è dura – aller Anfang ist schwer. Aber ich glaube, wir sind nun als Schnüffler anerkannt. Das dürfte die Recherche um einiges erleichtern.«
Kapitel 6: SUPERSTIZIONE
Am nächsten Morgen war Maltes Erkältung noch stärker geworden, zudem war er schlecht gelaunt, weil er von Ole gehört hatte, dass wir noch bis ein Uhr an der Bar gesessen hatten. Wir saßen beim Frühstück, ich genoss gerade meinen Espresso, als ich seine Stimmung zu spüren bekam.
»Ich weiß gar nicht, warum die Italiener den Ruf genießen, so gastfreundlich zu sein«, nörgelte Malte. »Mein Bett ist jedenfalls total unbequem, die Matratze muss jahrhundertealt sein.«
»Also, ich hab gut geschlafen«, sagte ich.
»Mit so viel Wein im Kopf, kein Wunder, das sollte ich mir mal erlauben, gleich am zweiten Abend allein zechen gehen.«
Ich schaute Malte besorgt an. Er war
Weitere Kostenlose Bücher