Amore siciliano
recht machen. So hatten wir uns noch kurz gestritten und die Nacht Rücken an Rücken verbracht. Und er hatte mich fast aus dem engen Bett geschubst. Was war nur mit ihm los, brauchte er etwa das schlechte Berliner Wetter, um nett zu sein?
Taormina hieß der idyllische Ort in den Peloritani-Bergen, der uns laut Paolo und Michele den besten Blick auf den Ätna bieten sollte. Hier gab es nicht nur das beste Lokal für Meeresfrüchte Siziliens, La grotta azzurra, wie mein Reiseführer behauptete, sondern auch ein wunderschönes antikes Freilichttheater, das Teatro Greco. Aufdem Corso Umberto gab es die schicksten Läden, und auf dem Domplatz trafen sich bei Abenddämmerung die Jugendlichen der Stadt zum Plausch. Dichter Nebel verdarb uns zwar den Blick auf den Vulkan, dennoch lohnte der Ausflug. Wir schlenderten durch die malerischen Gassen der Altstadt, besichtigten den Dom, und als es zu regnen anfing, lud Dieter uns großzügig zu Gelato und Espresso ein. Das war Italien, so hatte ich es mir vorgestellt. Also, von dem Regen einmal abgesehen.
Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass ich beinahe Hausverbot in einem Eiscafé bekommen würde, bloß weil ich meinen Regenschirm zum Trocknen aufspannen und in die Ecke stellen wollte.
»Porta sfortuna! Bringt Unglück!« Die Ladenbesitzerin funkelte mich wütend an, und warf meinen Schirm in Windeseile auf die Straße, wo ich ihn nur knapp davor retten konnte, von einer Vespa überfahren zu werden. Dann richtete sie ihre Hand mit gespreiztem kleinem Finger und Zeigefinger gegen meinen Schirm und mich. Ich war verwirrt – warum deutete diese ältere italienische Dame mit so einer unhöflichen Geste auf mich?
Die anderen lachten sich schlapp über mein verdutztes Gesicht.
»La superstizione, das hab ja sogar ich gewusst«, neckte Malte. »Alles bringt hier Unglück: schwarze Katzen, Leitern, Hagelkörner von links und so weiter. Die haben hier einen ganzen Haufen seltsamer Theorien, woher das Pech kommt.«
»Mit dem Handzeichen mano cornuta will sie nur das Pech von sich abhalten, das du ihr gerade bringen wolltest«,erklärte Ole. »Ein bisschen missverständlich vielleicht, aber angeblich wirksam.«
»Aber was hab ich denn falsch gemacht? Was hat sie gegen meinen Regenschirm?« Ich schaute ratlos der aufgebrachten Signorina und ihrer gehörnten Hand hinterher.
»Non lo sai cosa si dice? Ein aufgespannter Schirm bringt einen Toten in der Familie mit sich«, erklärte mir eine Frau vom Nachbartisch, die Mitleid mit mir hatte. »Zumindest glauben das die Leute hier.«
Kleinlaut stellte ich meinen zusammengefalteten Schirm in die Ecke zu den anderen. Am Tod eines Eisverkäufers wollte ich nun wirklich keine Schuld tragen. Ich hatte zwar eifrig italienische Vokabeln gepaukt, doch mit so etwas wie Aberglauben hatte ich mich überhaupt nicht beschäftigt. Das sollte ich besser nachholen, es gab doch nichts Peinlicheres, als so offensichtlich gegen die Gewohnheiten des Gastlandes zu verstoßen.
»So«, meinte Dieter, nachdem wir genüsslich gespeist hatten. »Und nun wolln wa mal die Arbeitsteilung der nächsten Tage besprechen. Ich hab mir Gedanken gemacht, wie wa am effektivsten arbeiten können. Und das bedeutet in diesem Zusammenhang ohne Rücksicht auf private Vorlieben.« Bei dieser Bemerkung sah er Malte streng an, und wir verstanden sofort, was das hieß: keine Pärchenausflüge.
In der Nähe von Taormina lag eine alte Mühle mit einer Olivenpresse, von der Dieter ein paar Aufnahmen haben wollte. Daher hatte er beschlossen, dass Malte und Ole die Mühle besichtigen und sich die Arbeit dort detailliertbeschreiben lassen sollten. Malte empfand diese Aufgabe als Affront, warum auch immer.
»Ich glaube, Dieter hat mich aufm Kieker«, meinte er, als wir einen Augenblick allein waren. »Wahrscheinlich haben sich die anderen beschwert, dass ich meine Freundin mitbringen darf, und nun versucht er absichtlich, uns zu trennen, damit es von Anfang an so aussieht, als hätten wir dich aus rein beruflichen Gründen mitgenommen.«
»Was soll das denn heißen? Aus welchen Gründen sollte ich denn sonst hier sein? Ein romantischer Urlaub auf Firmenkosten sähe schließlich anders aus.«
»Jaja, war ja nicht so gemeint«, wiegelte Malte ab und strich mir eine Strähne aus der Stirn. Aber insgeheim, dachte ich, denkt er wahrscheinlich wirklich, dass ich ohne seine Fürsprache niemals zu so einer Filmproduktion mitgenommen worden wäre. Und es stimmte mich nachdenklich,
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