Amore siciliano
gegenüber war er im Moment so streitbar. Unsere Beziehung hatte sicher schon bessere Tage gesehen.
»Mi è venuta un’idea: Vielleicht hilft es, wenn deine Kollegen mich mal kennenlernen, wir könnten uns ja auf ein Glas Wein treffen, dann ergibt sich alles Weitere schon von allein«, schlug Carla vor. »Womöglich könntet ihr mich auch filmen oder zu irgendetwas befragen.« Sie erinnerte mich ein wenig an Charly mit ihrer Hartnäckigkeit und ihrem Drang, vor die Kameralinse zu kommen.
»Ja, sicher, das geht bestimmt«, sagte ich der Einfachheit halber.
Wir plauderten noch eine Weile über Bioanbau im Allgemeinen und Taormina im Besonderen und verabredeten, dass wir in den nächsten Tagen einmal telefonieren würden. Gegen halb neun brach ich Richtung I Moresani auf, stellte den Punto vor dem Autoverleih ab und nahm für den Rest der Strecke ein Taxi.
Als ich am Gut eintraf, saß das gesamte Team gemeinsam an der Bar: Ole, Dieter, Malte, Jakob und Paula, daneben drei Frauen der belgischen Reisegruppe. Simona standhinterm Tresen, und Giuseppe hockte auf seinem angestammten Platz. Von Paolo keine Spur, aber es war ja noch früh, vielleicht kam er später vorbei.
Wir tranken gemeinsam ein paar Gläser Wein, und ich fragte Simona über die Bräuche und Feste der Sizilianer aus.
»Das Mandelblütenfest von Agrigent habt ihr ja leider verpasst«, fuhr Simona fort. »Das war Anfang Februar. Es hat eine lange Tradition und wird seit 1934 gefeiert. Und das tagelang.« Sie erzählte uns begeistert von lokalen Spezialitäten und Keramik, von Tänzen und Umzügen und zeigte uns Fotos von festlich gekleideten Sizilianern auf dem Festzug der heiligen Agathe, die eine überdimensionale Statue und ebenso große Kerzen, die Candelore, durch die Straßen von Catania schleppten. Ole hörte ihr begeistert zu und machte ständig Notizen. Dafür bekam er von Simona hin und wieder ein Lächeln geschenkt. Malte spottete darüber, doch das störte unseren eindeutig verliebten Kameramann nicht. So langsam verstand ich auch, warum Simona ihr Leben unbedingt hier verbringen wollte: Sie liebte ihre Heimat, das war nicht zu überhören. »Am Ende des Festes gibt es dann ein ganz tolles Feuerwerk!«, schloss sie ihre Erzählungen und schenkte uns Wein nach.
Ich stand nicht besonders auf Feuerwerk. Schon als Kind hatte ich die Böllerei nicht sonderlich gemocht. Meine Cousine Emma, die seit kurzem in Hamburg lebte, hatte erzählt, dass es dort beinahe jedes Wochenende aus irgendeinem Grund ein Feuerwerk gab: dreimal im Jahr anlässlich des Hamburger Doms, dann zum Hafengeburtstag,zum Kirschblütenfest und Alstervergnügen, wenn ein Schiff einlief, wenn ein Schiff auslief … Ich war vor einem guten Jahr bei den Cruising Days bei Emma zu Besuch gewesen, und hatte mich selbst davon überzeugen können: So romantisch die zerplatzenden Lichtkörper am Nachthimmel auch aussehen mochten, gehörten sie doch zu den unnötigsten Bräuchen auf Erden, dachte ich damals. Über der als Umweltstadt profilierten Hansestadt jedenfalls lag an diesem Abend ein dicker Schwefelnebel. Mir war diese unnütze Umweltverschmutzung inklusive Vögelverschreckung seitdem ein Graus. Zum Glück gab es in Berlin nicht so viele Knallspektakel. Um jedoch die Santuzza zu ehren, wie man die heilige Agathe auf Sizilien nannte, war das Feuerwerk hier seit Jahrzehnten nicht wegzudenken.
Ole hing den ganzen Abend wie gebannt an Simonas Lippen, doch ich hatte nicht den Eindruck, dass sein Interesse erwidert wurde. Simona war nett zu ihm und genoss seine Aufmerksamkeit sichtlich, aber sie war genauso nett zu uns anderen, und auch Jakob bekam einige ihrer Zahnpastalächeln geschenkt. Malte zog Ole immer wieder wegen seiner Schwärmerei auf, zum Glück verstand Simona kein Deutsch.
Dieter fand das gar nicht lustig: »Denkt daran, det hier is kein Urlaub, sondern Arbeit. Um eure Flirts könnt ihr euch in eurer Freizeit kümmern.«
Davon sollten wir zumindest am Sonntag ein wenig haben.
»Wie gut, dass wir morgen ein nicht ganz so straffes Programm haben«, meinte Jakob.
»Wenn uns noch Zeit bleibt, hätte ich Lust, auch einen Reitausflug zu machen«, meinte Paula, die sich ausgiebig mit den belgischen Damen unterhalten hatte. »Vom Rücken der Pferde lernt man die Gegend doch noch einmal ganz anders kennen.«
»Dazu hätte ich auch Lust«, pflichtete ich ihr bei.
»Kannst du überhaupt reiten?«, fragte Malte.
»Na klar, was denkst denn du?«
Offensichtlich traute mir
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