Amore siciliano
er kam, desto schärfer und größer wirkten seine Zähne. Ich war nicht nur entdeckt, sondern geradezu in Lebensgefahr! Die Dogge warnur noch wenige Schritte entfernt, also entschied ich mich für die Flucht nach vorn und trat hinter der Mauer hervor. Dabei blieb ich mit meinem Hosenbein an einem aus der Wand ragenden Nagel hängen. Mit einem Ruck versuchte ich mich zu befreien und machte die Sache damit noch schlimmer; ich verlor das Gleichgewicht, fiel zu Boden und mit einem unheilvollen »Krrchchk« riss meine Hose bis zum Oberschenkel auf.
Paolo starrte mich verblüfft an.
Auch der Hund blieb verdutzt stehen. Er neigte den Kopf fragend zur Seite.
Ich rappelte mich auf, erhob mich vorsichtig und beschloss, ebenso erstaunt zu tun: »Ciao!«, sagte ich. »Entschuldige, weißt du, wo ich hier bin? Ich habe mich wohl verlaufen. Ich dachte, ich könnte hier zwischen den Feldern abkürzen, und dann war da plötzlich dieser Hof …« Ich stockte.
Enzos Knurren wurde lauter.
»Beißt der?«, fragte ich beeindruckt.
»Certo che morde! Klar, das ist ein Hund. Und das ist mein Hof. Ein Privatgrundstück, hier ist der Zutritt verboten«, sagte Paolo statt einer Begrüßung und starrte mich halb erstaunt, halb wütend an.
»Oh, das wusste ich nicht, entschuldige bitte«, log ich. »Ich dachte nicht, dass jemand hier wohnt, ich wollte nur abkürzen.« Ich merkte, wie ich errötete. Mir fiel meine zerrissene Hose wieder ein. Krampfhaft versuchte ich, den Riss zuzuhalten.
»Hast du denn die Schilder nicht gesehen?« Paolo schüttelte ungläubig den Kopf.
»Ach, die sahen so alt aus, wie von Kinderhand geschrieben, da dachte ich, die sind nicht mehr aktuell«, behauptete ich.
Meine Schauspielerfahrung aus Schulzeiten machte sich nun bezahlt:
Paolo schien mir tatsächlich zu glauben. Er lächelte nun sogar leicht. Enzo hingegen schien weniger überzeugt. Sein Knurren wurde immer lauter, und er begann, die Zähne zu fletschen.
»Braver Hund, guter Hund, geh rüber zu Herrchen«, bat ich und fügte mutig ein »Kschksch« hinzu. Aber Enzo blieb stehen. Der ließ sich nicht so leicht reinlegen.
»Ich glaube, er beißt mich gleich! Kannst du ihn nicht beruhigen?«, flehte ich Paolo an.
»Tranquilla. Keine Angst, Enzo beißt nur Leute, die er nicht mag.«
Das war ja nun Ansichtssache – bedeutete das Knurren etwa vorsichtige Sympathie?
Endlich trat Paolo zwischen mich und seinen Hund, um die Wogen zu glätten. »Lei è un’amica, Freundin«, sagte er zu Enzo und zeigte auf mich. Augenblicklich stellte der Hund das Knurren ein und wedelte erfreut mit dem Schwanz. So einfach ging das also, wunderte ich mich.
»Jetzt musst du ihn streicheln, damit er sieht, dass du ihm nichts Böses willst«, meinte Paolo, und zaghaft streckte ich meine Hand nach dem braven Wachhund aus. Enzo schleckte meine Finger schmatzend ab, und ich wischte den Hundespeichel anschließend ins Fell hinter seinen Ohren.
Das Eis schien gebrochen, zumindest zwischen mir und dem Hund. Paolo reichte mir die Hand zur Begrüßung. Dass meine Hand durch die Reste der Hundespucke ganz klebrig war, schien ihn nicht zu stören. Offenbar störte Paolo mein unmöglicher Auftritt hier auch nicht weiter, denn ohne einen weiteren Blick auf mein entblößtes Bein zu werfen, nahm er meinen vorgeschobenen Grund, hier zu sein, auf:
»Du kannst nur abkürzen, wenn du durch die Gärten gehst, über den Zaun kletterst und dann durch den Olivenhain läufst«, erklärte er. »Aber selbst dann sind es noch gute zwei Kilometer. Einfacher ist es, du gehst zurück zur Straße und nimmst den nächsten Bus.«
»Ach, ich laufe eigentlich lieber«, sagte ich. »Es sei denn, es stört dich, wenn ich über dein Land laufe.«
»Eigentlich dulde ich keine Fremden auf meinem Land«, bestätigte Paolo Simonas Aussage. »Aber da wir nun für einige Zeit Nachbarn sein werden, mache ich eine Ausnahme.«
Wie nett. Ich war für ihn eine Ausnahme, das war doch schon mal was. Ob er auch eine Ausnahme machte, was sein Haus anging? Ich würde zu gern einen Blick hineinwerfen.
»Ich kann dir den Weg gleich zeigen, ich muss nur rasch ausladen«, sagte er mit einem Wink zum Jeep, auf dem Getreidesäcke und eine Ladung Steine lagen.
»Soll ich helfen?«
Paolo schaute mich leicht spöttisch an. »Meinst du denn, dass du die Säcke gehoben kriegst?«
»Wieso denn nicht?«
Zum Beweis schritt ich an den Jeep, zog zur Probe an einem der Säcke, der sich leider keinen Millimeter von der Stelle
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