Amore siciliano
Malte nicht zu, mich im Sattel zu halten. Ich war vielleicht keine Meredith Michaels-Beerbaum, aber seit einem Familienurlaub in Peru, bei dem Wanderreitlehrer Perez mein Herz hatte höher schlagen lassen, wusste ich zumindest ein wenig, wie man sich auf dem Rücken eines Pferdes verhielt. Vielleicht war ich das ein oder andere Mal unfreiwillig abgestiegen, aber davon musste Malte ja nichts erfahren. Seine häufige Kritik fing langsam an, mir gewaltig auf die Nerven zu gehen.
Simona jedenfalls hatte nichts dagegen, mit uns bei nächster Gelegenheit einen Tagesritt zu unternehmen, und so war es abgemacht. Von den Männern hatte außer Ole keiner Lust, mitzukommen – und dessen Motivation hatte eher wenig mit Begeisterung für die Bardigiona-Pferde zu tun. Er gab offenbar nicht so schnell auf.
Den Sonntagvormittag verbrachte ich am Laptop und arbeitete an meinem Drehplan für Taormina und den Forchielli-Hof. Malte murrte ein wenig, weil ich keine Zeit für ihn hatte, aber ich wollte die Chance, die Dieter mir gab, unbedingt nutzen und ein astreines Ergebnis abliefern.Deshalb schickte ich ihn mit den anderen zum Ausspannen und Krafttanken ins Spa nach Messina. Seiner Erkältung konnte das nur guttun. Und ich kam ohne ihn viel schneller voran, so dass ich schon am frühen Nachmittag den Laptop am Drucker in Micheles Büro anschloss und meinen zehnseitigen Plan fünfmal ausdruckte. Ich war zufrieden mit meinem Werk. Aber letztlich zählte natürlich Dieters Meinung, ich konnte es kaum erwarten zu erfahren, was er davon hielt.
Als ich den Plan säuberlich in Mappen geheftet hatte, war von den anderen noch keine Spur zu sehen, und so beschloss ich, einen kleinen Spaziergang zu machen. Das Wetter war herrlich, knapp zwanzig Grad und strahlender Sonnenschein. Ich wanderte durch den Olivenhain zur Küstenstraße, machte einen Schlenker zum Strand, badete meine Füße in der Brandung und genoss den Ausblick. Als ich wieder zurück zur Strada Acquaviole ging, zog es mich nicht auf direktem Wege zurück zu de Vivos. Ich wollte die Gelegenheit nutzen und einen Blick auf den Hof von Paolo werfen. So bog ich statt nach links nach rechts ab und spazierte unter blühenden Eschen entlang geradewegs auf das Gut di Gioia zu.
»Attenti al cane« stand auf einem kleinen Schild, das mit zwei Nägeln am hölzernen Zaun angebracht war, »Vorsicht vor dem Hund«. Ich warf einen vorsichtigen Blick über den Zaun in den Hof, doch weit und breit war kein zähnefletschender Dobermann zu sehen. Ein weiteres Schild am Tor trug die Aufschrift »Vietato l’ingresso«, Zugang verboten. Das galt sicher nicht für nette Gäste der Nachbarn, sagte ich mir. Und außerdem war ja ganzoffensichtlich niemand zu Hause, wen sollte es also stören, wenn ich mich hier ein wenig umsah?
Ich öffnete den Riegel des Tores und betrat den Hof. An der Mauer des Haupthauses hing ein weiteres Schild, es sah aus, als hätte ein Kind es geschrieben: »Attenti al cagnone!« Hier musste ich in meinem Taschenwörterbuch nachschlagen, wovor genau ich mich in Acht nehmen sollte. »Cagnone, großer Hund«. Mein Gott, was sollten denn diese ganzen Warnungen? Hier meinte es jemand beziehungsweise sein Hund offenbar ernst. Oder sollten die Schilder nur Angst machen und Neugierige wie mich vertreiben? Doch nun war ich so weit gegangen, jetzt wollte ich mich auch in Ruhe umsehen.
Das Haupthaus war im Gegensatz zu dem großzügigen Heim der de Vivos etwas kleiner und bestand nur aus Erdgeschoss und Dachboden – zumindest war von außen keine zweite Etage zu erkennen. Für einen allein war es dennoch ein großes Haus. Ich würde mich darin schrecklich einsam fühlen. Mir hatte es schon gereicht, als meine Eltern einmal mit meinen jüngeren Geschwistern für ein paar Tage zu den Großeltern gereist waren und ich allein in der Villa Herzogenaurich zurückgelassen wurde, weil ich fürs Abitur lernen musste. Vor lauter Einsamkeit in dem großen stillen Gebäude wusste ich mir nicht anders zu helfen, als mit Charly und dem Rest unserer Abschlussklasse eine große Silvesterparty zu schmeißen. Die Party lief unter dem Motto »Ice Age«, weil Berlin seit Jahren das erste Mal wieder einen richtigen Winter erlebte. Das überdimensionale Iglu, das ein paar Jungs aus unserem Jahrgang vor der Garage hochzogen, war noch langeGesprächsstoff in Teltow. Ich hatte die ganze Sache für einen Spitzenidee gehalten, doch leider blieb die Party auch innerfamiliär noch länger ein Thema, als mir
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