Amore siciliano
länger, wenn Sie können«, empfahl Signora Forchielli. »Dann können Sie die Prozessionen in den Städten sehen, die sind wunderbar.« Ostern war das wichtigste Fest auf der Insel, da konnte ich mir schon vorstellen, dass es bunt zuging. Prachtvolle Prozessionen in Trachten und mit reichlich Blumenschmuck, Aufführungen biblischer Schauspiele und ein opulentes Angebot besonderer Festspeisen wie Frittelle, leckerer kleiner Teigstücke, sowohl in süßer als auch in pikanter Variante, gäbe es dann in allen Ortschaften Siziliens.
Signora Forchielli erhob sich und bot mir einen Espresso an, wozu ich natürlich nicht nein sagte. Ich folgte ihr in die Küche, wo es nach Thymian und Lavendel duftete, und während sie eine kleine Edelstahlkanne aufsetzte, erzählte sie mir, wie sie zum Bioanbau gekommen war.
Allzu lange betrieb die Familie Forchielli die Biolandwirtschaft noch gar nicht. Eine wirtschaftliche Notsituationund der Tod des Großvaters hatten sie dazu gezwungen, sich etwas Neues auszudenken, um in der Region konkurrenzfähig zu bleiben. So hatten sie mit der Zucht einer fast ausgestorbenen Rasse von Kaninchen begonnen und bauten dazu nicht genmanipulierte Salatsorten wie Rucola, Kopfsalat und Feldsalat an. Auf dem Gut wurde vollständig auf den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln verzichtet.
»Und wie schützen Sie Ihren Salat vor Schädlingen wie zum Beispiel Schnecken, Maden oder Feldmäusen?«, fragte ich, weil ich keine Schutzmaßnahmen auf den Beeten gesehen hatte.
»In modo naturale! Auf absolut natürlichem Wege«, bekräftigte Signora Forchielli. »Gegen die Mäuse haben wir sechs Katzen und gegen die Käfer und Schnecken – sehen Sie selbst.«
Sie deutete aus dem Fenster auf ein Gehege, in dem sich gut ein Dutzend Laufenten samt Küken tummelte.
»Una volta al giorno, einmal am Tag werden die Enten zur Schneckenjagd durch die Salatbeete geschickt, das funktioniert ganz ausgezeichnet. Den Trick hab ich mir übrigens von einem Kollegen aus Süddeutschland abgeschaut. Alle paar Jahre treffen wir europäischen Biobauern uns zum Austausch, das ist sehr hilfreich, vor allem, weil die Deutschen es sehr genau nehmen mit ihren Regelungen und genau Bescheid wissen, wie man sie einhalten kann und dabei gleichzeitig wirtschaftlich arbeitet – die Kollegen hier unten können einen eher beraten, wie man die Regeln am besten umgeht.« Sie zwinkerte bei dem letzten Satz, aber ich war nicht sicher, ob sie es nichtdoch ernst meinte. Von der Idee mit den Laufenten war ich begeistert. Diese Tiere sahen herrlich neugierig aus mit ihren langen Hälsen, die sie nun nach mir ausstreckten, als wir wieder in den Hof gingen.
»Darf ich sie mal streicheln?«, fragte ich Signora Forchielli.
Die Bäuerin blickte mich irritiert an. »Accarezzarli? Na, wenn Sie meinen.« Sie ging voran zu dem Gehege und öffnete das Gatter einen Spalt, so dass ich hineinhuschen konnte. Dann schloss sie das Gatter hinter mir, und ich sah mich inmitten einer aufgeregt schnatternden Schar von Enten, die augenblicklich begannen, mich heftig in die Beine zu zwicken.
»Aua, au!«, schrie ich und beeilte mich, den Angreifern mit einem Sprung über den Zaun zu entkommen.
»Was ist denn mit denen los, haben die was gegen Fremde?«, fragte ich und rieb mir die schmerzenden Waden.
Signora Forchielli lachte. »Cosa hai pensato?! Ja, was haben Sie denn gedacht? Die Enten verteidigen natürlich ihre Küken. Ich hab mich schon gewundert, dass Sie unbedingt hineingehen wollten, aber ich wollte nicht unhöflich sein.«
Ich kam mir sehr dumm vor. Vor lauter Begeisterung hatte ich völlig aus den Augen verloren, dass man bei Muttertieren Abstand halten sollte. Trotz ihres niedlichen Aussehens hatten die Enten eine beeindruckende Kraft in ihren Schnäbeln, meine Waden konnten ein Lied davon singen. Aus sicherer Entfernung beobachtete ich später, wie Signora Forchielli die ausgewachsenen Tiere durchein kleines Tor in die Salatbeete trieb. Die Küken fing sie dabei ab. »Die sind noch zu klein für Schnecken, die bekommen Streufutter«, erklärte sie.
Die eben noch so aggressiven Elterntiere standen nur einen Augenblick hinter der Pforte und schauten verdutzt hinter ihren zurückgebliebenen Küken her, die nun aufgeregt am Zaun entlangliefen. Dann machten sie sich auf die Jagd und durchforsteten die Beete nach Schnecken.
Ich musste sehr traurig ausgesehen haben, denn plötzlich bekam die Bäuerin Mitleid und griff ein Küken für mich zum
Weitere Kostenlose Bücher