Amore siciliano
lieb war. Brandflecke im Teppich, die geschröpften Weinvorräte meines Vaters, dazu ein unangenehmer Geruch, der unser Gästebad erst nach drei Tagen Chlorreinigereinsatz verließ, waren für meine Eltern Anlass genug, mich hart zu bestrafen – quasi auch als Abschreckung für meine jüngeren Geschwister. Fünf lange Monate durfte ich das Auto nicht nutzen, den Teppich musste ich von meinem Taschengeld ersetzen und das Iglu ganz allein abtauen. Zudem hatte ich meinen Ruf als Chaotin und schwarzes Schaf der Familie weg, und das sollte wohl bis in alle Ewigkeit so bleiben. Wenigstens war ich seitdem nie wieder einsam. Die Party hatte mir viele neue Freunde beschert.
Was Paolo wohl machte, wenn er sich einsam fühlte? Wahrscheinlich zu Michele an die Bar gehen. Nachdem ich mich nun davon überzeugt hatte, dass weit und breit niemand zu sehen oder zu hören war und Paolo zum Glück wirklich nicht zu Hause zu sein schien, setzte ich meine Erkundungstour fort. Vorsichtig warf ich einen Blick durch das erste Fenster. Paolo hatte keine Vorhänge oder Gardinen. Vielleicht weil er nichts zu verbergen hatte, vielleicht aber auch, weil ohnehin alles, was man zu verbergen versuchte, in diesem Land spätestens durch die Mafia ans Tageslicht gezerrt wurde?
Es sah jedenfalls erstaunlich ordentlich aus im Innern von Paolos Haus, fast ein wenig karg. Na ja, Männern fehlte ja oft der Hang zu Dekoration. Malte bildete da eineAusnahme, seine Wohnung war regelrecht gepflastert mit Plakaten der Filme, an denen er mitgearbeitet hatte, Auszeichnungen von der Filmhochschule, Fotos von diversen Sets – alles in unlackierten Holzrahmen zu einer kleinen Galerie aufgehängt. Seine Holzmöbel stammten fast ausnahmslos von einem Biolabel aus Schwerin, und im Wohnzimmer hatte er eine ganze Kiste voller Wolldecken und Kissen, weil er so leicht fror und im Winter nur ein Zimmer in der Wohnung heizte. Er war eben sehr dünn, da fror man schnell, aber das war für ihn noch lange kein Grund, mit ständig laufenden Heizkörpern Energie zu verschwenden, meinte er.
Paolo schien nicht so viel für Bilder oder andere Einrichtungsgegenstände übrig zu haben. In dem Raum, den ich für das Wohnzimmer hielt, standen ein mittelalterlich anmutendes Sofa, ein Ohrensessel und davor ein Fußhocker. An der Wand über einem offenen Kamin hing ein einziges großes Bild. Es zeigte eine ältere Dame, die in einem Ohrensessel saß, der dem Möbelstück in dem Raum sehr ähnelte. Es sah nach einem Zimmer aus, in dem man sich eher seine Großeltern hätte vorstellen können als einen knapp dreißigjährigen Mann.
Die Küche hingegen war hochmodern eingerichtet, alles aus Edelstahl und der Herd, wenn mich meine Augen nicht täuschten, ein Induktionsgerät. Ich hätte bei einem Biobauern und einem so alten Haus eigentlich eher mit einem Holzkohleofen gerechnet, schon seltsam, dieser Stilbruch. Jetzt war ich gespannt auf die anderen Zimmer, doch als ich ums Haus herumging, rollte ein grüner Jeep mit dem Kennzeichen BE 807 AZ auf den Hof. Also hatteich in Taormina doch richtig gesehen, das war Paolos Kennzeichen! Rechts neben dem Nummernschild war das Kürzel ME für die Zulassungsregion Messina angebracht. Das Eintreffen des Hauseigners brachte mich jedoch in eine peinliche Lage. Wie sollte ich ihm erklären, was ich hier trieb? Ich versteckte mich hinter einem Mauervorsprung und lugte vorsichtig zu dem Fahrzeug hinüber. Vielleicht war es besser, wenn er mich gar nicht sah. Ich würde abwarten, bis er im Haus war, und dann das Weite suchen. Sicher wäre Paolo nicht gerade erfreut, wenn er entdeckte, dass ich heimlich auf seinem Hof herumspionierte, er hielt uns ja ohnehin für Schnüffler.
Leider ging mein Plan nicht auf, ich hatte die Rechnung ohne den Hund gemacht: Denn zusammen mit dem Hofbesitzer stieg der vielfach angekündigte cane aus dem Wagen. Oder vielmehr cagnone: eine ausgewachsene Bourdeauxdogge mit gefährlich aussehenden Zähnen sprang mit einem Satz aus dem Jeep. Der Hund schnüffelte nur den Bruchteil einer Sekunde am Boden, dann hielt er seine riesige Schnauze einmal quer in den Wind und steuerte unter leisem Knurren Schritt für Schritt geradewegs auf mein Versteck zu. Mir wurde mulmig. Hätte ich doch bloß auf die Warnhinweise gehört!
»Beh Enzo? Cosa c’è? Hast du eine Wühlmaus entdeckt?«, rief Paolo.
Schön wär’s, die vermeintliche Wühlmaus war ich. Mir sank das Herz in die Hose. Oooooohhhhh nein! Enzo kam immer näher! Und je näher
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