Amore siciliano
Steno. Da ich das Handy schon mal in der Hand hatte, schrieb ich auch gleich eine SMS an meinen Freund:
Taormina hat viel zu bieten, freu mich auf den drehtag hier. Was macht die mühle?
Drehen und pressen, kam es zurück.
Wurde beinahe überfahren, schrieb ich in Erwar tung von etwas Anteilnahme.
Das passt zu dir, war seine Antwort. Man kann dich wirklich nicht allein lassen.
Also wirklich. Ich seufzte. Das klang nicht so, als habe sich die Stimmung bei ihm sonderlich gebessert.
Ich schnallte meinen Rucksack wieder um und suchte nach meinem Leihwagen. Wie hieß noch gleich die Seitenstraße, wo ich ihn geparkt hatte? Der Unfall mit demElektroauto hatte mich wohl mehr mitgenommen als gedacht, ich hatte die Orientierung verloren und mein Kopf dröhnte. Vielleicht lag es auch daran, dass ich so wenig getrunken hatte? Bei den zahlreichen Espressi, die ich zwischendurch bestellt hatte, hatte stets ein Glas Wasser neben der Tasse gestanden. Vielleicht wäre es gescheit gewesen, auch mal eins davon zu trinken. Ich stoppte an einer Tabaccheria, kaufte mir eine Halbliterflasche Wasser und trank sie in drei Zügen leer. Hatte mir ein einfaches Mineralwasser schon einmal so gut getan? Ich ruhte mich noch ein wenig auf der Bank vor dem Geschäft aus und blickte den Autos auf der Via Lallia Bassia hinterher. Einer der vorbeifahrenden Wagen war ein grüner Jeep. Sofort fiel mir Paolo wieder ein und die Sache in Messina. Worum es wohl gegangen war? Vielleicht sollte ich es einfach beiläufig ansprechen, wenn ich ihn wiedersah. Sicherlich saß er heute Abend wie gewohnt am Tresen der de Vivos. Vielleicht hatte Malte ja ausnahmsweise Lust, sich dazuzugesellen, dann könnte er Paolo kennenlernen. Ole jedenfalls würde sich bestimmt mit mir auf einen Wein an der Bar treffen, er brannte nämlich darauf, Simona wiederzusehen, die heute von der Reittour mit den Belgierinnen zurückkehren würde.
Die Mutter von Simona hatte ich immer noch nicht kennengelernt. So langsam bezweifelte ich, dass es sie überhaupt gab. Dafür war Nonna Margherita präsenter. Sie war eine richtige Vorzeigegroßmutter, wie aus dem Bilderbuch: klein, rund, herzlich und energisch. Und eindeutig das Oberhaupt der Familie. Wenn sie etwas sagte, spurte selbst Michele. Solche hierarchischen Ordnungenwaren sicherlich in einigen italienischen Großfamilien nicht unüblich, vermutete ich. Wahrscheinlich auch nicht bei den Forchiellis, zu denen ich mich nun auf den Weg machte.
Der Agriturismo der Familie Forchielli war auf dem Grundstück eines ehemaligen Klosters aus dem 17. Jahrhundert gebaut. Die Via Andronico, auf der ich fuhr, führte durch eine hübsche Hügellandschaft, die mit Obst- und Olivenbäumen übersät war. Die Plantage wirkte ein wenig chaotisch, die Bäume standen in unregelmäßigen Abständen statt in leicht zu bewirtschaftenden Reihen, wie zum Beispiel auf I Moresani. Man sah sofort, dass Olivenanbau hier nicht professionell betrieben wurde. Auch Zimmervermietung war auf Casa Perrotta die Ausnahme, nur gelegentlich nahm die Familie in Zimmern in einem Nebengebäude Touristen auf, wenn die Nachbarhöfe ausgebucht waren, so hatte ich mich auf der Webseite des Gutes informiert. Sowohl den Ätna als auch das Meer und Taormina sollte man von den Hügeln aus sehen können.
Auf Casa Perrotta lebte das Ehepaar Forchielli mit seinen sechs Kindern. Zwei davon kamen mir schon in der Einfahrt entgegengelaufen. Sie zeigten reges Interesse an meiner Kamera, die sie mir sofort abknöpften, und schossen eifrig Fotos, während sie mich hinters Haus brachten. Hier jätete ihre Mutter mit den älteren Geschwistern gerade ein Blumenbeet.
»Das werden Narzissen für Ostern«, erklärte mir die Frau und wies auf Tausende von Zwiebelsprösslingen. Ichwar beeindruckt. Wer brauchte denn so viele Blumen? Mit dem, was dort auf den Beeten heranwuchs, konnte man eine ganze Kleinstadt versorgen. »Die Abnehmer der Tulpen und Narzissen sind Festveranstalter und Kirchen der Umgebung«, sagte Signora Forchielli. Sie versicherte mir, dass ihre Lieferung nur ein Bruchteil dessen wäre, was an Blumen zu Ostern gebraucht würde.
»Werden Sie über die Feiertage auf Sizilien bleiben?«, fragte sie, während sie noch rasch ein paar Gräser zwischen den Blumen auszupfte.
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete ich. »Es ist geplant, dass unser Filmprojekt dann schon abgeschlossen ist. Wahrscheinlich werden wir kurz vorher zurückfliegen.«
»Bleiben Sie
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